Dating in der Türkei ist von der Tradition geprägt. Menschen verstellen sich, um die Älteren in der Familie nicht zu enttäuschen. Das hat bemerkbare Auswirkungen in der Liebe. Die kenne ich durch meine Arbeit mit hunderten Frauen und Männer in der Türkei. Ja, es gibt auch Ähnlichkeiten in der türkischen Gemeinschaft in Deutschland. Aber auf das Dating-Verhalten der deutsch-türkischen Bürger, die in Deutschland wohnen, werfe ich einen Blick am Ende des Artikels.
1. Verlobung als die Dating-Phase
„Was werden die Nachbarn denken?“, ist eine der meist gefragten Fragen, die sich viele Familien in der Türkei stellen. Vor allem, wenn es um die Tochter und ihren Freund geht. Denn die Ehre hat einen hohen Wert in der türkischen Kultur. Dazu gehört der Nachname. Viele Familien tun alles, um ihren Nachnamen zu schützen und um ihm keine “Schande“ zu bereiten.
Vor vielen Jahren noch war diese Denkweise extremer und verbreiteter. Heute ist eine aktive Verteidigung eher lockerer. Allerdings ist die Auswirkung dieser Mentalität in kleineren Abschnitten noch zu sehen. Sehr viele Jugendliche, sogar auch erwachsene Frauen, gehen deshalb auf geheime Dates. Sie treffen sich zwar in der Öffentlichkeit, allerdings begleitet jedes dieser Treffen die unterschwellige Angst, von einem Familienmitglied entdeckt zu werden.
Das Traurige an dieser Situation ist, dass fast nur die Frauen davon betroffen sind. Das wird leider nicht oft besprochen, kann ich aber aufgrund meiner praktischen Erfahrungen bei der Unterstützung von Partnersuchenden in der Türkei bestätigen. „Wieso ist das Dating für Männer selbstverständlicher als für Frauen?“ Die Antwort dieser Frage ist einfach, jedoch sehr traurig.
Es besteht ein größeres Risiko für die Frau beurteilt und von der Gruppe abgestoßen zu werden. Das sieht man auch an dem Thema Jungfräulichkeit. Sobald du keine Jungfrau mehr bist, hast du automatisch weniger Wert bei vielen Männern. Wichtig zu wissen: Dies ist zwar überall in der türkischen Kultur zu sehen. Allerdings gilt es weniger in Großstädten wie in Istanbul oder Izmir. Nach wie vor werden viele Frauen verlobt. Ja, sie „werden verlobt …” Der Grund sind die Anforderungen der Familie und der Tradition. Die Verlobung ist für viele Frauen der einzige Weg zum Daten.
2. Die „Ich möchte heiraten“ Verführungsstrategie
Nicht nur die Frauen sind von den Anforderungen der Tradition betroffen, sondern auch die Männer. Ich habe in den vergangenen Jahren häufig erlebt, dass viele Männer die Ehe versprechen, nur um der Frau ein gutes Gewissen zu geben. Das hört sich natürlich manipulativ an und ist in vielen Fällen auch gelogen. Niemand will eine Frau heiraten, die er nicht kennt. Aber leider ist es für viele ein Weg. Sonst würde die Frau dem Mann gar nicht die Zeit und Dates ermöglichen, um sich zu beweisen.
„Ich möchte dich erst kennenlernen. Bevor ich überhaupt eine Frau heirate, will ich mit ihr 2 Jahre lang zusammenleben. So kann man sich besser kennenlernen.” Kein Mann kann das so sagen. Obwohl Männer und Frauen sich das wünschen würden, es ist leider nicht möglich. Der Mann wird keine Chance von der Frau bekommen. Und das ist aus Sicht der Frau sehr verständlich. Immerhin muss sie ja ihre Würde zu beschützen. Zusammenleben vor der Ehe? Auf gar keinen Fall! Auch wenn das ihr Wunsch wäre.
Und so kommt es leider zur Verführungsstrategie „Ich möchte heiraten“. Der Mann muss mit der Frau „ernst“ sein, er muss sich verbindlich geben und beim ersten Date darauf hinweisen, dass er heiraten will. Bereits in der Kennenlernphase ziehen so die Lügen ein in die Beziehung.
„Er sagt, er liebt mich und will mich heiraten. Aber wir sind schon seit 2 Jahren zusammen und von ihm kommt noch gar nichts. Wenn ich das Thema anspreche, ignoriert er es.” Das ist beispielhaft eine der vielen E-Mails, die ich von Frauen erhalten habe. Vielleicht werden die meisten Menschen denken, dass ein solcher Typ nur mit spielt und sie ihre Zeit verschwendet. Sie sollte ihn verlassen, weil er sie überhaupt nicht liebt. Er lügt doch eindeutig.