Wann hast du dich zuletzt bei deinem Körper bedankt?

Dehnungsstreifen am Bauch, Cellulite an den Schenkeln, hängende Brüste – viele Frauen stören sich an den vermeintlichen Makeln ihres Körpers. Doch das kann verheerende Folgen haben! Wie du deinen Körper endlich lieben lernst…

Mein Wecker klingelt, och nö. Ich strecke meine müden Knochen und schäle mich aus dem Bett. Ich gehe Richtung Bad und mein Blick streift im Vorbeigehen den Wandspiegel. Ich betrachte, was ich darin sehe. Ich begutachte meine Dellen und die Cellulite an den Schenkeln, bemerke die Dehnungsstreifen am Bauch. Mein Blick wandert zu meinen Brüsten, die standen auch mal mehr.  

Ich könnte mir meine Makel stundenlang ansehen, von allen Seiten, aber die Zeit sitzt mir im Nacken. Zähneputzen, Haare hochknödeln, schnell ein Outfit übergeworfen, das wenigstens den Schwabbelbauch versteckt und dann fällt auch schon die Haustüre hinter mir ins Schloss. So schnell mich meine Beine tragen, hetze ich ins Büro und stolpere dort zerzaust ausgerechnet Miss Perfect in die Arme. Perfekte Haare, perfektes Make-up und immer ein Lächeln auf den Lippen – ich hasse sie anerkennend. 

Also vergrabe ich mich bis Feierabend in Arbeit und gehe auf dem Rückweg noch zum Discounter, das Dekolleté der Frau am Gemüsestand lacht mir entgegen, während ich mich an meine traurigen Brüste erinnere. Ich lasse die Schultern hängen und nehme mir noch einen Schoko-Seelentröster mit.  

Abends klingelt mein Handy, meine beste Freundin plant einen Spa-Tag und fragt, ob ich mitkomme. Sauna, Dampfbad, Massage und Whirlpool, klingt so verlockend – wäre da nicht meine Scham, mich vor anderen nackt zu zeigen. Ich schiebe einen Arzttermin vor und lasse mir Badewasser ein. Ist ja auch irgendwie Wellness. 

So oder so ähnlich fühlen sich (viel zu) viele Frauen, tagtäglich. Auch ich für lange Zeit. Aber ich frage mich … 

Woher kommt dieser übermächtige Drang nach Perfektion? 

Die Antwort ist zu gleichen Teilen simpel wie traurig: Wir wachsen bereits in jungen Jahren mit diesem Druck auf. Während wir als kleine Mädchen noch auf die tollen Kleider in Hochglanzmagazinen achten, wollen wir, sobald wir älter sind, anstatt des Kleides viel lieber den Astralkörper des Fotomodells haben. Während wir als kleine Räuberprinzessin beim Barbiespielen von der Traumhochzeit mit Ken fantasieren, träumen wir später von ihrem vollen Haar und der Wespentaille.  

Und die Werbung zeigt uns dann, dass das alles (zumindest in der Werbung) möglich ist. Wie praktisch. Da ist die Werbung von bunten Pillen, die die Pfunde im Schlaf schmelzen lassen. Und die Frauenmagazine mit der Diät, die dich ganz garantiert endlich dünn und dazu auch noch total glücklich macht. Und natürlich die gerade Heidi-Klum-Nase und die tropfenförmigen Brustimplantate – tut bestimmt nur ganz kurz weh, aber das ist die Schönheit uns doch wert. Oder nicht?  

Wie entsteht eine fehlende oder falsche Körperwahrnehmung?

“Dein Körper, rufen uns alle diese Phänomene zu, ist dein Kunstwerk, das es zu korrigieren, umzumodeln und zu verbessern gilt. Mach mit! Gönn dir das Vergnügen! Gehöre dazu!” Diese grandios-tragische Zusammenfassung entspringt nicht meiner Kreativität, sondern stammt von Susie Orbach. Sie ist Essstörungs-Expertin und war sogar die Therapeutin von Lady Di. Sie beschäftigt sich seit längerem äußerst kritisch mit Werbung und verheerenden Körper-Idealen.  

Kapitalismus und Patriarchat haben nämlich ein klares Interesse daran, dass wir Frauen uns niemals richtig fühlen, denn unsere Unsicherheiten sind bares Geld wert. Nur so konsumieren wir schließlich Produkte, die uns aus dieser künstlich geschaffenen Misere führen können. Oft fällt uns dieser Druck von außen gar nicht auf, wie auch. Wir kennen es ja nicht anders. Ich möchte mit dir heute einmal etwas genauer hingucken. Denn eine fehlende oder falsche Körperwahrnehmung kann verheerende Folgen haben. 


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