Regression und Progression – schon mal davon gehört? In diesem Artikel beleuchten wir das Phänomen, dass sich ein Erwachsener in einer Beziehung wie ein kleines Kind verhält. Ist das gefährlich für die Partnerschaft?
„Wie alt fühlst du dich gerade, Baby?“
In Anwesenheit Dritter spielen Mark und Cynthia das Spiel des modernen Musterpaares. Erfolgreich, lebenshungrig, gesellig, intelligent, gut aussehend, liebevoll, romantisch und sehr, sehr verliebt treten sie auf – also genau das, was in der Summe den wenigsten Paaren vergönnt ist. Kein Wunder, dass „Manthia“, wie sie im Freundeskreis genannt werden, so einige heimliche Neider haben. Jene ahnen allerdings nicht, dass es hinter der glatten Fassade ganz anders aussieht.
Sobald Mark und Cynthia zu zweit sind, grooven sie sich in einem sonderbaren Arrangement ein, von dem die Außenwelt keine Kenntnis hat. Ein neutraler Beobachter würde Mark dann wohl in vielen Beziehungssituationen als „erwachsen aussehendes Kleinkind“ bezeichnen, das durch sein Verhalten um die Aufmerksamkeit und Zuwendung seiner „Mutter“ (Cynthia) buhlt. Dann spricht er z.B. mit leiser, weinerlicher Stimme, jammert über seine Kollegen, beklagt sich, wie anstrengend das Leben doch sei oder gibt sich völlig hilflos und hilfsbedürftig – und Cynthia hört ihm zu, zieht ihn an sich, drückt sein Köpfchen an ihren Busen, schaukelt ihn sanft hin und her. Marks Verhalten ist Ausdruck einer Regression. Ein sperriger psychologischer Begriff, der erläutert werden muss:
Was bedeutet Regression?
Unter Regression wird ganz allgemein ein Zurückgehen bzw. Umkehren verstanden. Wenn ein Mensch im psychologischen Sinne „regrediert“, begibt er sich auf eine frühere Entwicklungsstufe zurück. Er zeigt dann quasi-kindliche Verhaltensmuster. Beispiele hierfür sind übertriebene Trotzreaktionen – wie damals mit fünf Jahren im Supermarkt, als es keine Süßigkeiten gab – und exzessives Jammern und Wehklagen. Entwicklungspsychologen vermuten, dass Regression der Regulation des seelischen Gleichgewichts dient, indem sie angstreduzierend wirkt. Als „Kind“ kann man vielen Herausforderungen und Konflikten des Erwachsenenlebens ausweichen.
Obschon der Begriff der Psychoanalyse entstammt, also einem sehr alten (Therapie-)Verfahren, lässt er sich sinngemäß auch in neueren Entwicklungen wiederfinden. Zum Beispiel in der Schematherapie mit ihren so genannten „Modi“ wie dem „gesunden Erwachsenen“ oder dem „verletzlichen Kind“. Wenn unsere „Kindmodi“ aktiviert sind, fühlen und verhalten wir uns „wie damals“. Stefanie Stahl hat mit ihrem Megaseller Das Kind in dir muss Heimat finden derartige Konzepte hierzulande bekannt gemacht.