Kann Liebe blind sein? Ein Interview mit Diplom-Psychologin Lisa Fischbach

Ob die US-Netflix-Serie „Love is blind“, „Hochzeit auf den ersten Blick“ oder der neue OMR-Podcast „Date on Tape“: Dating-Formate, bei denen es darum geht, Partner bewusst nicht mehr nach der Optik auszuwählen oder auszusortieren, feiern aktuell große Erfolge. Doch kann man sich wirklich blind verlieben – ohne den anderen jemals gesehen zu haben? Wir haben Lisa Fischbach, Diplom-Psychologin und Matchmaking-Expertin bei ElitePartner, gefragt

Diplom-Psychologin Lisa Fischbach

Frau Fischbach, in der Netflix-Serie „Love is Blind“ lernen sich 30 Singles blind kennen. Sie hören tagelang nur die Stimme Ihres Gegenübers. Das Ziel der Erfolgsshow: Nach nur 30 Tagen sollen die Hochzeitsglocken läuten. Nach einem „blinden“ Heiratsantrag geht es in die Flitterwochen, anschließend ziehen die Paare sofort zusammen und treffen sich im besten Fall vor dem Altar wieder. Bei einigen Paaren hat das Experiment funktioniert. Überrascht Sie das? Messen wir der Optik beim Daten und Kennenlernen zu viel Bedeutung bei?

Die Magie des ersten Anblicks ist keine Entscheidung des Kopfes, sondern Resultat eines tiefverwurzelten Reflexes, also eines automatisch ablaufenden Prozesses. Wir können uns noch so sehr gegen unsere Biologie stemmen, das Aussehen, also die subjektiv empfundene Attraktivität eines Gegenübers, hat einen sehr starken Einfluss auf unser Empfinden. In Bruchteilen von Sekunden bilden wir uns auf der Grundlage des Aussehens ein erstes Urteil über Sympathie und Anziehung und dies eröffnet die Bereitschaft, genauer hinzusehen und sich kennenlernen zu wollen.

Ist die Informationsquelle der Optik außer Kraft gesetzt, gewinnen andere Faktoren wie die Stimme und der Inhalt des Gesagten an Bedeutung. Darüber entsteht ein Bild im Kopf, wir entwickeln Fantasien über den Unbekannten und sein Aussehen. Bei Gefallen entsteht auch darüber – nur etwas zeitverzögert – Sympathie und Anziehung.

Mich wundert es nicht, dass das Verlieben bei einigen Paaren auf diesem Wege funktioniert. Wir kennen das sehr gut vom Online-Dating. Wer länger miteinander schreibt oder telefoniert, ohne sich zu sehen, der kann sich verlieben. Jedoch besteht die Gefahr, dass bei einer Begegnung die Vorstellung im Kopf sehr von der Realität abweicht und es zur Enttäuschung kommt – egal wie stark die Verliebtheit vorher war.


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