Was passiert, wenn kinderlose Paare, die sich jedoch ein Kind wünschen würden, keine Kinder mehr bekommen können? Unsere Autorin hat ein Paar erlebt, dass sich einen Hund geholt hat. Leider sind sie sich nicht einig darüber, welche Rolle der Hund in ihrer Beziehung einnimmt
Heike und Markus haben sich relativ spät gefunden, beiden waren zu dem Zeitpunkt schon in ihren 40ern, auf alle Fälle in der Regel zu spät, um problemlos Kinder zu bekommen. Das Paar war auch nicht krampfhaft auf Nachwuchs versessen in dem Sinne, dass das gemeinsame Liebes-Leben sonst keinen Sinn für sie gehabt hätte. Solche Paare gibt es ja, sie setzen sogar die Harmonie in der Beziehung aufs Spiel, um endlich wenigstens ein Kind zu kriegen. Heike und Markus dagegen waren einfach froh und dankbar, endlich das große Glück in der Liebe gefunden zu haben. Ein Baby wäre das i-Tüpfelchen auf dem Glück gewesen, aber ohne Tüpfelchen ist es genauso gut gegangen. Dieser entspannte Angang ist eigentlich die ideale Voraussetzung, um schwanger zu werden, aber es hat einfach nicht geklappt bei Heike und Markus. Dafür haben die beiden ihr Zusammensein in vollen Zügen genossen, eine rauschende Hochzeit, viele schöne Reisen, eine tolle Eigentumswohnung, an deren Einrichtung sie lange „gebastelt“ haben. Irgendwann war alles fertig, ein Nest, ein Nest mit einem herrlichen Garten. Es fehlte im Prinzip nichts. Als das Paar eines Abends beim Wein verliebt im Garten saß, kam Heike plötzlich auf die Idee, dass sie sich einen Hund anschaffen könnten. Sie ist sehr tierlieb, Markus ebenfalls. Beide sind mit Tieren aufgewachsen. Trotzdem wurde noch viel über das Thema diskutiert, was wird, wenn wir unterwegs sind, wie ist es mit den täglichen Gassi-Gängen, haben wir da Lust drauf, schränkt uns das nicht in unserer Freiheit ein? Eines Tages waren wirklich alle Fragen geklärt, die Entscheidung für einen Hund war gefallen, es ging nur noch um die Rasse. Heike und Markus einigten sich auf einen Jack Russell Terrier, den fanden sie niedlich, und sie wussten, dass diese Rasse Charakter hat. Das war das, was das Paar wollte: Ein Tier, das eher klein und niedlich ist und zugleich nicht zu unterwürfig, ein Tier, das lebhaft ist und das viel Auslauf braucht, ein Hund, der Heike und Markus in ihrer Eigenständigkeit und Mobilität entspricht. Mit Feuereifer begann Heike, alles zu besorgen, was man für einen Hundehaushalt braucht. Schon in der Phase fiel es Markus auf, dass Heike einen sehr großen Aufstand um jede Anschaffung gemacht hat, alles nur vom Feinsten, am besten der Hundenapf vom Designer. Wie für eine Babyausstattung dachte Markus insgeheim, doch er gönnte Heike diese Freude. Und er selbst konnte schließlich den Familienzuwachs auch kaum abwarten und fieberte dem Tag entgegen, bis sie den Hund bei sich haben konnten. Sie wollten den Welpen „Luna“ nennen.
„Als wir Luna vom Züchter abholten, war es erst einmal um uns beide geschehen“ erzählt Markus, „ich weiß nicht, wie viele Fotos wir von uns dreien gemacht haben. Da war bei mir sofort ein Gefühl, dass Luna zu uns gehört. Sie war putzmunter, wir haben im Garten der Züchterin mit ihr gespielt. Ich konnte mir schon nach einer Stunde nicht mehr vorstellen, dass wir je ohne Luna gewesen sind. Heike war ganz närrisch mit dem Tier, sie knuddelte es und sprach mit ihm wie mit einem Baby. Okay, diese närrische Art kannte ich auch von anderen Hundehaltern, das habe ich nicht als schlimm empfunden. Und ich hatte natürlich auch bereits geahnt, dass das Hündchen für uns ein bisschen wie ein Kindersatz werden würde. Ich habe mir gesagt: Und wenn ja, wen stört das? Das ist unser Ding, das geht nur Heike und mich etwas an. Sollen sich nur andere über uns lustig machen, dieses ewig gleiche gemeine Geschwätz, x und y konnten keine Kinder bekommen, schaut mal, und nun projizieren sie ihre ganze Liebe auf einen Hund. Heike und ich, wir projizieren unsere Liebe aufeinander, und es bleibt noch genug übrig für andere Menschen oder eben ein Haustier, das sieht Heike genauso, wie ich. Ich habe und hatte mit Heike immer dieses absolute Wir-Gefühl, wir waren uns stets in allen Angelegenheiten einig, ob es nun Lebensentscheidungen betrifft oder die Auswahl einer neuen Lampe.“
Die ersten Wochen mit Luna sind ein bisschen wie Honeymoon. Heike und Markus sind völlig fokussiert auf das Tier, jeder kleine Entwicklungsschritt wird mit einem großen Hallo kommentiert, Fotos in die Familie und in den Freundeskreis verschickt. Die frisch gebackenen Hundebesitzer sind selig. Der erste kleine Konflikt taucht auf, als Heike sich dafür stark macht, dass Luna am Fußende des Bettes schlafen kann. „Das ist einfach gemütlich“, sagt sie. Markus will das auf keinen Fall, er fühlt sich in seinem ehelichen Schlafzimmer durch die Gegenwart eines Hundes empfindlich gestört.