Social Distancing, Abstand halten, Kontakte aussetzen – das ist für die meisten die reine Qual. Es gibt immer ein paar Ausnahmen, aber grundsätzlich lässt sich gut belegbar behaupten: Als soziale Wesen können Menschen ohne Bindung nicht leben. Das beginnt als Babys: Was wir sofort ohne Hilfsanleitung gleich nach der Geburt mitbekommen ist, dass wir auf unsere Bezugspersonen angewiesen sind – sonst verhungern wir nämlich. John Bowlby stellte vor über 100 Jahren mit seiner Bindungstheorie die These auf, dass wir in frühen Lebensjahren unser Bindungssystem entwickeln, also wir lernen gleich nach der Geburt Verbindung zu schaffen, sie zu halten – oder sie zu verlieren. Diese Theorie wurde zunächst belächelt, heute ist sie wissenschaftlich immer wieder belegt worden und das über die Verbindung zu unseren Eltern hinaus bis zu den Verbindungen zu unseren Liebespartnern. Wir benötigen andere Menschen, die für uns sicherer Hafen sind, von dem aus wir die Welt erkunden können und gleichzeitig Fels in der Brandung, der uns schützt, wenn wir uns von den Ausflügen erholen müssen.
Menschen suchen nach sicherer Bindung
Bis heute scheinen die Erkenntnisse der Bindungstheorie für manche revolutionär, dabei ist sie ebenso gesetzt wie die Evolution und dass die Erde rund ist. Wer jetzt den Kopf ungläubig schüttelt, sollte bitte nicht vergessen, dass es noch vor einer Generation hieß: „Lass das Baby schreien, das ist gut für die Lunge!“ Das war und ist echt scheiße fürs Bindungsverhalten und die Partnerwahl später – aber nun gut, viele Eltern wussten es nicht besser, waren ihre Eltern als Kriegsgeneration ja auch nicht gerade auf Blütenblättern gebettet worden. Dennoch zeigt heute jede Familienaufstellung deutlich, dass Traumata wie Isolation sich über Generationen vererben können, wenn es dadurch zu schweren Bindungsstörungen gekommen ist. „Wenn du heulst, hat dich Mama gar nicht lieb!“, ist nun einmal kein Glaubenssatz, der ein Kind später als Erwachsenen selbstbewusst zu seinen Emotionen stehen lässt und mit diesen umzugehen weiß – geschweige denn sie zu artikulieren. Manche Singles zeigen aufgrund früher traumatisch erlebter Erfahrungen sogar später bei Zurückweisungen Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung.
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