Wir lernten uns vor gut zwei Jahren kennen, als wir beide in die gleiche WG einzogen. Wir waren vom ersten Tag an unzertrennlich. Es war als hätte ich meinen Seelenverwandten gefunden, meinen Zwillingsbruder, meinen Felsen. Und als Topping oben drauf wohnten wir auch noch zusammen. Romantische Gefühle waren dabei nie ein Thema. Ich war Freundschaften zwischen Mann und Frau immer etwas skeptisch gegenübergestellt. Aber dieser Mensch überzeugte mich vom Gegenteil. Wir teilten unseren Alltag, wir fuhren in den Urlaub, wir lachten, wir weinten, wir kümmerten uns umeinander. Ich habe ihn in meinen Freundeskreis integriert und eigentlich konnte mein Leben nicht besser laufen.
Ich habe mich damals oft gefragt, ob sich die Intensivität der Freundschaft irgendwann verändern wird, wenn wir beide nicht mehr Single sind und nicht mehr nur auf uns Acht geben müssen. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass ich mir für ihn nichts mehr wünsche als eine Frau, die ihn von ganzem Herzen liebt. Und ich habe gehofft, dass ich mich mit ihr anfreunden kann. Und er natürlich mit meinem zukünftigen Partner. Mir war allerdings damals schon bewusst, dass die Beziehungskiste bei ihm schneller auf den Tisch kommen wird als bei mir. Er hat sich eine Partnerschaft so sehr gewünscht und ich war glücklich auch mal allein zu sein.
Freundschaften zwischen Mann und Frau?
Heute weiß ich, dass alles was ich mir für uns erhofft hatte naiv, blauäugig und eine absolut unrealistische Traumvorstellung war. Denn dann kam der Tag. Er lernte sie kennen. Die Frau, die es geschafft hat, eine wundervolle Freundschaft zu kippen.
Er erzählte mir von ihr und ich war mit ihm Feuer und Flamme. Ich wollte sie unbedingt kennenlernen und das tat ich dann auch ziemlich schnell. Sie war nett, witzig, attraktiv und mir eigentlich ziemlich ähnlich. Wir verstanden uns gut. Wir trafen uns oft beim Feiern und auf Partys. Zu uns in die WG kam sie nicht oft. Mein bester Freund fuhr meist zu ihr, da sie eine eigene Wohnung hatte.
Ganz langsam begann ein schleichender Prozess des Zurückziehens der beiden. Er war immer seltener zu Hause, er unternahm nichts mehr mit mir, er interessierte sich nicht mehr für mich. Sie war bei zufälligen Begegnungen kurz angebunden und ich kassierte den ein oder anderen kritischen Blick, wenn mein bester Freund nicht hinsah. Ich realisierte langsam was da gerade passierte. Ich sprach meinen besten Freund auf die Veränderungen an. Er war anfangs sehr zurückhaltend und dann platze es aus ihm raus: „Sie fühlt sich unwohl in deiner Nähe“. Unwohl … soso.
Seine Neue fühlte sich unwohl in meiner Nähe
Ich weiß bis heute nicht, woher dieser Umstand kam und was ich getan haben sollte, um das zu verursachen. Ich wollte mit ihr reden. Ich wollte dieses Missverständnis aus der Welt schaffen. Keine Chance. Alle Treffen wurden aus vorgeschobenen Gründen abgesagt und am Ende schrieb sie mir nicht mehr zurück. Mein bester Freund ging mir auch aus dem Weg. Ich war vollkommen hilflos, bei dem Versuch eine Freundschaft zu retten und eine neue aufzubauen. Als dann noch die Nachricht kam „Ich werde nächsten Monat ausziehen“, wusste ich, das endet nicht gut. Für mich.
Die beiden waren seit zwei Monaten ein Paar und suchten nach einer gemeinsamen Wohnung. Dass diese Idee von ihr kam, war keine Überraschung. Den wahren Grund für den überstürzten Auszug habe ich bis heute nie erfahren. Aber man muss nicht alles aussprechen, um es zu wissen.
Zwei Wochen später, an einem Samstagabend, fand eine Geburtstagsparty eines guten Kumpels statt. Mein bester Freund war selbstverständlich auch eingeladen. Mit seiner besseren Hälfte. Für mich war das Drama schon vorprogrammiert, doch ich riss mich zusammen und blieb freundlich zurückhaltend. Sie verhielt sich allerdings etwas anders. Ich wurde erst ignoriert, dann herablassend angesehen, dann provoziert und zusammengefasst wurde mir eigentlich durchgängig übermittelt: Er ist mein Freund, nicht mehr deiner. Verschwinde aus unserem Leben.
Am nächsten Tag kam er kurz in die WG. Viel geredet haben wir schon lange nicht mehr. Aber an diesem Mittag bekam ich weder ein Hallo, noch ein Tschüss. Ich schrieb ihm und fragte, was los sei. Er sagte, er wäre sauer und genervt darüber, wie ich gestern seine Freundin behandelt hätte auf dem Geburtstag. Ich las diese Nachricht gefühlt Einhundertmal rauf und runter. Das musste also diese rosarote Brille sein, von der immer alle sprechen. Sie hat sie ihm aufgesetzt und er fixierte sie anschließend mit extra starkem Klebeband.
Ab diesem Moment war mir klar, ich kann machen, sagen und weinen, was und wie ich will, er nimmt es nicht mehr wahr. Er sieht mich nicht mehr. Ich habe aufgegeben. Mir fehlten die Worte. Und ich hatte auch keine Kraft mehr. Ich habe lange Zeit ihr die Schuld gegeben und ihn innerhalb meiner Gedanken in Schutz genommen. Heute ist mir klar: Sie hat ihn zwar manipuliert und vereinnahmt, aber er hat es zugelassen. Und das ist mindestens genauso schlimm und rückblickend gesehen noch viel enttäuschender.
Er lebt glücklich mit ihr und ich sitze immer noch in der WG
Eine zweijährige intensive, emotionale Freundschaft mit vielen Höhen und Tiefen, hat an diesem Tag ein Ende gefunden. Zwei Jahre voller Freude, Spaß, Tränen, Erfahrungen, Urlauben, Familienbesuchen, Krankenhausaufenthalten und unendlich schöner Erlebnisse und Momente lagen hinter uns.
Bis heute, Monate nach dem letzten Gespräch, hat sich nichts geändert. Er lebt glücklich in der gemeinsamen Wohnung und ich sitze immer noch hier und frage mich, wie es nur so weit kommen konnte. Es tut nach wie vor weh seine Gleichgültigkeit unterbewusst spüren zu können.
Ich wünsche ihm nur das Beste und alles Glück der Welt, aber ein kleiner Teil von mir hofft, dass der Kleber seiner rosaroten Brille sich vielleicht doch irgendwann etwas löst und sie ihm für einen kurzen Moment von der Nase rutscht.
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