Chat-Freundschaft statt Liebe? Warum der endlose Austausch virtueller Nachrichten nervt – zumindest, wenn man eigentlich jemanden fürs echte Leben sucht
Dass Online-Dating Fluch und Segen ist, wissen wir längst. Mein eigenes Umfeld beweist immer wieder: Man kann auf diesem neumodernen Weg tatsächlich die ganz große Liebe finden. Aber eben auch permanent an Typen geraten, die noch immer nach sich selbst suchen. Oder einfach irgendwas, das man selbst nicht ist, hat oder geben möchte. Okay, um fair zu sein: Niemand sagt, dass Internet-Partnerbörsen ausschließlich sexuell angetriebene Zusammenkünfte vermitteln müssen. Der eine wünscht sich eben eine wilde Nacht, der nächste hofft auf lebenslanges Glück und lässt es lieber langsam angehen. Doch selbst Vertreter dieser Gruppe sind in der Regel relativ schnell auf ein erstes Treffen aus, um den potenziellen Lebenspartner ganz unerotisch zu beschnuppern. Dann aber gibt es noch die anderen. Die, die schreiben, schreiben, schreiben, aber niemals zum Punkt kommen wollen.
„Brieffreunding“: Treffen ist gerade schlecht
Bei den ersten Zeilen, die man über den Messenger oder via Dating-App tauscht, flimmert’s vielleicht noch in der Bauchregion – weil der andere nicht nur inhaltlich ansprechend schreibt, sondern auch noch Grammatik und Rechtschreibung beherrscht. Und später bei WhatsApp-Nachricht vier, zwölf und 23 ist dann eventuell schon das Herz ein bisschen involviert. Ist ja auch schön: Der andere erzählt, fragt nach, ist womöglich sogar sehr aufmerksam und klug und witzig und charmant. Kann sein, dass er sich öffnet, ein paar Narben offenbart, und sich so noch interessanter macht. Sich liest wie jemand, dem man möglichst bald begegnen möchte. Um seine Stimme zu hören, seine Mimik und Gestik zu lesen, seinen Geruch wahrzunehmen, vielleicht seine Haut zu berühren. Doch die Lovestory endet, bevor sie überhaupt begonnen hat: Denn leider findet beim so genannten „Brieffreunding“ nichts davon statt.