Mein Partner wird dement. Was passiert mit unserer Liebe?

Alzheimer kommt meist erst im hohen Alter. Bei Thea wurde die Krankheit sehr viel früher diagnostiziert. Ihr Mann Hans muss sich darauf einstellen, dass sie ihn in einigen Jahren gänzlich vergessen haben wird. beziehungsweise-Autorin Birgit Ehrenberg hat die ergreifende Geschichte dieses besonderen Paares aufgeschrieben

Vom ersten Tag an hat Hans an Thea am meisten ihre Sprachgewandtheit geliebt. Thea ist eine Frau des Wortes, schriftlich und mündlich. Sie hat das nicht studiert, sie übt sogar einen eher trockenen Beruf aus. Thea arbeitet als Verwaltungsangestellte. Die Schlagfertigkeit ist ihr einfach in die Wiege gelegt worden. Ihre Worte füllen den Raum, ziehen die Menschen in ihren Bann.

Wenn Thea Hans einen Liebesbrief schreibt, muss er weinen, so schön ist der. Man kann sagen: Hans hat sich in Thea verliebt, weil sie eine Wortkünstlerin ist. Wenn Thea privat eine Rede hält, sind die Zuhörer wie paralysiert, wie verzaubert, man kann die berühmte Stecknadel fallen lassen hören, so mucksmäuschenstill ist es um sie herum. Thea fällt immer im richtigen Moment etwas Passendes ein, eine geistreiche Bemerkung, eine feine ironische Frage oder ein Witz, kein platter, niemals, sondern ein pointierter, der sitzt.

All das gehört nun der Vergangenheit an. Thea fällt nicht nur immer seltener im passenden Moment genau das Richtige ein, im Gegenteil, sie ringt häufig um Worte, sie vergisst vieles. Thea ist 53 Jahre alt und leidet an Alzheimer. Hans unterstützt Thea, wo er kann, sie ist sein Ein und Alles. Aber da ist diese Lücke in ihrer Persönlichkeit, die sich auftut, die Hans Angst macht, diese Lücke, die immer größer wird, die fehlenden Worte, die fehlende Thea.

Ein verzweifelter Versuch: Irgendwie die Kontrolle behalten, auch über die Liebe

„Ich habe viel gelesen über Alzheimer“, erzählt Hans, „ich wollte diese Krankheit, dieses Phänomen einfach fassen, diesen Spuk begreifen, der sich in unser Liebesleben geschmuggelt hat, der es täglich mehr und mehr verändert. Es gibt auch Pausen, manchmal stagniert die Krankheit. Ich denke dann, wer weiß, vielleicht wird es wieder gut. Man neigt dazu, sich etwas vorzumachen, wenn der Partner schwer krank ist.

Die Hoffnung keimt zwischendurch auf, dass alles nur ein medizinischer Irrtum ist, dass Thea und ich eine gemeinsame Zukunft haben, in der sie gesund ist. Vor allem, wenn ein Mensch mit Anfang 50 erkrankt, wir alle haben doch irgendwie die Vorstellung, dass Alzheimer nur ältere Menschen betrifft. Mein Vater und meine Mutter aber, beide fast 80, sind kerngesund, und meine wunderbare Frau, bis jetzt ein Ausbund an Energie und Lebensfreude, wird in ein paar Jahren ein Pflegefall sein.


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