Sind Männer einfach bindungsunwillig? Nein. Verliert ein Mann das Interesse an einem, hat man selbst lange zuvor das Interesse an sich selbst verloren, meint Autorin Jessica Samuel. In ihrem Buch „Sei dir selbst der Partner, den du dir wünscht“ macht sie uns bereit für die Liebe und gibt Tipps aus der Praxis. Ein Buchauszug
Verträgst du es, wenn ich dir die ungeschönte Wahrheit gleich auf den ersten Seiten ins Gesicht sage? Ich wünsche mir dies sehr. Denn du liegst mir am Herzen, obwohl wir uns noch nie begegnet sind. Ich kann nicht mehr zählen, wie oft ich Liebeskummer hatte und weinend und mit gebrochenen Herzen im Bett lag, das so wehtat, dass ich wünschte, lieber zu sterben, als damit weiterleben zu müssen. Trotzdem ließ ich mich immer und immer wieder neu ein, hielt nichts zurück und landete doch erneut auf der Nase. Egal, was ich tat – und wie vielversprechend die Beziehung begann: Nach kürzester Zeit hatte der Mann kein Interesse mehr. Und oft genug war es ja noch nicht mal eine Beziehung! Denn oft war schon nach den ersten Begegnungen der Wurm drin. Noch bevor wir überhaupt fest zusammen waren, war die Geschichte schon wieder vorbei.
Ich verstand es nicht. Meine Freundinnen verstanden es nicht. Und selbst die jeweiligen Männer konnten mir nicht wirklich erklären, weshalb sie sich doch nicht ausreichend für mich interessierten. Manche brachen den Kontakt ganz ab. Die, die noch mit mir sprachen, nahmen die Schuld auf sich.
- »Es liegt nicht an dir, es passt einfach irgendwie doch nicht.«
- »Es hat leider nicht gefunkt bei mir.«
- »Du bist eine echt tolle Frau, aber ich bin nicht verliebt.«
- »Ich glaube, ich will mich einfach noch nicht festlegen.«
- »Ich bin einfach noch nicht so weit.«
Vermutlich hast du einen dieser Sätze so oder so ähnlich auch schon öfter gehört, obwohl du eine tolle Frau bist.
Ich dachte lange Zeit, dass genau das der springende Punkt ist: Ich bin eine tolle Frau – ich gerate nur immer an die falschen Männer. Ich gerate immer an die Bindungsunfähigen oder die Bindungsunwilligen. An die, die Angst haben vor starken Frauen und lieber ein Püppchen zum Spielen hätten. An die, die ihre Altlasten noch nicht bearbeitet haben, oder an die, die bereits vergeben sind. Kennst du das? Dann ist es an der Zeit, dass du deine Enttäuschungen wörtlich nimmst und das Ende deiner Täuschungen einläutest. Entwickele einen klaren Blick auf Liebe und Anziehung – und mache dich auf ein paar spannende, neue Sichtweisen gefasst, die dein Leben von Grund auf ändern können.
Von wegen Jäger und Gejagte
Machen wir es kurz und schmerzlos: Die Geschichte vom männlichen Jäger und der weiblichen Gejagten ist eine Mär. In Wahrheit ist es bei uns Menschen genau wie bei den meisten anderen Säugetieren: Die Frau sucht das Männchen aus. Denn aus evolutionsbiologischer Sicht trägt sie in einer Beziehung das größere Risiko als der Mann. Von ihr wird nämlich nach einer Begegnung und im Falle einer Fortpflanzung ein deutlich höheres Investment gefordert als von einem Mann, denn ihr obliegen Schwangerschaft, Geburt und Aufzucht des Nachwuchses. Rein körperlich geht das mit großen Gefahren und Risiken einher, eine Geburt mit Komplikationen kann schnell lebensbedrohlich werden für Mutter und Kind. Auch wenn sich die Zeiten natürlich geändert haben und die Wehrlosigkeit einer Frau kurz nach der Entbindung physisch kaum mehr zum Tragen kommt, denn sie muss nicht mehr vor dem Säbelzahntiger fliehen. Aber sie ist dennoch fortan eingeschränkter in ihrer Lebensgestaltung als der männliche Erzeuger. Darum entscheidet die Frau, von welchem Mann sie Nachwuchs zur Welt bringen will – und selektiert unbewusst nach den besten Genen. Gegen diese sexuelle Selektion sind wir machtlos, denn die genetischen Programme, die dafür verantwortlich sind, greifen bereits seit sechs Millionen Jahren.