Michael trägt Schwarz. Seine Frau Hanna ist seit drei Jahren tot, und er geht immer noch konsequent in Trauer. Die Kleidung ist nur das äußere Symbol seiner inneren Lage. Der Witwer kommt über den Verlust von Hanna, mit der er 24 Jahre sehr glücklich verheiratet war, nicht hinweg, er kann das Kapitel nicht abschließen, er verweigert sich dem Leben nicht.
So sehen es aber seine Geschwister, seine Freunde, seine Kollegen. Sie sind alarmiert und in Sorge, dass Michaels Trauer nicht mehr normal ist, dass er in eine schwere Depression abgleitet. Mit dem, was normal ist oder sein soll, kennt sich Michael bestens aus: Er ist Therapeut, das heißt, er war es. Er hat seine Praxis geschlossen, er braucht einfach eine Pause, wie er beteuert, nicht weil er grundsätzlich nicht mehr arbeiten kann, sondern weil er nicht mehr arbeiten will. Das macht für ihn den bedeutsamen Unterschied: Dass er aus freien Stücken handelt, dass er Herr seiner Sinne ist.
Hanna und Michael – ein Bund für die Ewigkeit
„Ich habe Hanna als Student in Göttingen kennengelernt, das war gleich im ersten Semester. Wir haben nach einem Seminar zusammen in der Mensa gegessen, und ich hatte das Gefühl, als wären wir von diesem Moment an zusammen gewesen, wir sind uns sofort total nah gekommen. Zwischen uns passte kein Blatt, wie es so schön heißt. Psychologie war unsere Leidenschaft, Hanna und ich wollten wissen, was vor sich geht in der menschlichen Seele, wie sie tickt. Das brannte uns auf den Nägeln, wir haben ständig diskutiert. Wir wollten uns selbst verstehen, aber wir waren auch Idealisten.
Wir wollten andere Menschen dabei unterstützen, sich zu verstehen, Ängste und Neurosen zu überwinden, glücklich zu werden. Wir waren in jeder Hinsicht aus dem gleichen Holz. Wir wollten die Welt verbessern, Hanna und ich. Wir waren ein Team. Ich war überwältigt davon, wie gut ich mich mit Hanna austauschen konnte, und ihr ging es genauso. Unsere Liebe begann im Kopf und pflanzte sich ins Herz und in den Körper fort. „Ein Bund für die Ewigkeit“, sagt Michael, seine Augen leuchten, man merkt, wie diese Erinnerung seine Gegenwart bestimmt, wie sie ihn mit Freude über das Gewesene erfüllt und gleichermaßen mit unfassbarer Trauer über das Verlorene ins Bodenlose stürzt.
Trauerarbeit: immer wieder die gleichen Geschichten erzählen
Dennoch, Michael wirkt nicht wie ein gebrochener Mann, er wirkt nicht lebensmüde, er wirkt wie ein Liebender, der seine Liebe verloren hat, die ihm aber immer noch Kraft und durchaus Sinn gibt. Michael: „Der Philosoph Adorno hat gesagt, es gibt kein wahres Leben im falschen. Vielleicht gibt es das doch. Mein Dasein fühlt sich so an.“ Ein komplizierter Seinszustand, für Außenstehende kaum nachvollziehbar.