Kann man sich einen untreuen Partner schönreden?

Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt. Gilt das auch für die Liebe? Kann man sich einen untreuen Partner schön denken oder schönreden? beziehungsweise-Autorin Birgit Ehrenberg untersucht, ob die Liebe das ist, was wir von ihr glauben

Pia hätte es wissen müssen, von Anfang an: Jan taugt nicht zur Treue. „Einen attraktiven Mann hast Du nie allein“, hatte ihre beste Freundin Stella warnend gesagt, als Pia ihr Jan vorstellte. Jan ist ein Hingucker und umwerfend charmant. Jan, ein Hallodri – Pia wollte davon nichts wissen. Jan und sie, sie waren beide unsterblich verliebt ineinander. Wenn Pia ehrlich zu sich war, ist es ihr zwar aufgefallen, dass die Luft flirrte, wenn Jan einen Raum betrat, in dem Frauen waren. Jan ging sozusagen sofort auf Empfang. Er ist einfach ein offener und kommunikativer Mensch, er kommt eben mit jedem gleich ins Gespräch, das ist doch toll. Damit beruhigte sich Pia. Später dann, Pia und Jan waren längst fest zusammen, glücklich zusammen, glücklich verheiratet, bekam Pia mit, dass er nicht nur mit jedem sofort ins Gespräch kam, sondern auch daran interessiert war, mit einer anderen Frau im Bett zu landen. Nichts Ernstes, Pia sei Jans unumstrittene Herrin seines Herzens und seines Körpers, das versichert er seiner Frau, er begehrt sie sehr, er kann nicht genug von ihr kriegen. Doch ab und zu muss er in fremden Gärten wildern. Das habe nichts mit ihr zu tun.

„Ich habe eben viel Testosteron“

„Als ich das erste Mal bemerkt habe, dass Jan etwas mit einer anderen Frau hatte, es war der Klassiker, ganz simpel, er kam nach einer Weihnachtsfeier spät nach Hause, er roch nach Parfum, ich habe ihn zur Rede gestellt, ihm eine Szene gemacht, hat er sofort zugegeben, dass er mit einer Kollegin, mit der er sich ein Taxi nach Hause geteilt hatte, im Auto ein bisschen herumgemacht hätte, nichts Schlimmes. Das waren exakt seine Worte: nichts Schlimmes“, erzählt Pia, sie erzählt es erstaunlich gefasst. „Das ist jetzt knapp ein Jahr her, wir waren damals sechs Jahre zusammen, zwei Jahre davon verheiratet, mit uns war alles gut. Mir erschien es so, als wenn Jan fast erleichtert gewesen ist, dass er sich in dieser Schicksalsnacht endlich outen konnte. „Ich liebe Dich, Pia“, hat er ernst gesagt und ich habe es ihm geglaubt, ich wusste es und ich weiß es noch, dass er mich liebt, ich hatte komischerweise auch in diesem Moment daran keinen Zweifel.


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