Die Tage gehen vorüber

Ihr Fehler war, dass sie nie aufgehört hatte, ihn zu lieben. Aber wie hätte das auch funktionieren sollen? Unsere anonyme Autorin blickt zurück auf ihre schmerzhafte Trennung und ihre Versuche, ihn zu vergessen und neu zu beginnen

Die Zeit geht vorüber 1.050. 25.200. 1.512.000. 90.720.000. Tage, Stunden, Minuten, Sekunden. So lange haben wir uns nicht mehr gesehen. Ich weiß noch ganz genau, wie ich dich um die Ecke habe gehen sehen. Kennst du das Gefühl, wenn du weißt, dass genau in diesem Moment dein Herz bricht? Ich wusste ganz genau, dass wir uns nicht mehr sehen werden. Ich wusste ganz genau, dass ab jetzt dein Verdrängen beginnt. Und ich weiß auch jetzt ganz genau: du willst dich nicht mehr daran erinnern, was zwischen uns war. Denn ein Teil von dir ist an diesem Tag gestorben, und so war es auch bei mir. So viel ist seitdem passiert.

Manchmal rede ich in Gedanken noch mit dir, so als säßest du wieder neben mir auf dem Baumstamm über dem Fluss. Während du erfolgreich dein Masterstudium absolviert hast und mittlerweile sehr erfolgreich im Job bist, bin ich durch mein Staatsexamen gefallen, weil mir die Kraft gefehlt hat. Ich habe wieder eine Trennung hinter mir. Ich bin umgezogen. Bei keinem dieser Momente habe ich dich an meiner Seite gehabt. Mein Leben ging stetig weiter, auch wenn ich gar nicht das Gefühl hatte, wirklich zu leben.

Die Trauer gleitet in ein Gefühl von Ungläubigkeit. Mit dir habe ich mich immer so lebendig gefühlt. Mit dir war ich doch die beste Version von mir, die ich hätte sein können. Oder? Was ist mit uns passiert, wie haben wir uns verloren? Diese Frage hat mir keine Ruhe gelassen und ich habe seither versucht, in den Überbleibseln von uns eine Erklärung zu finden. Ich habe alte Nachrichten gelesen, Briefe gewälzt. Mit der Perspektive von heute, also mit deutlich mehr Abstand und einer nicht mehr rosaroten Brille, habe ich erahnen können, was mit uns passiert ist.


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