Zur Liebe verführt

Halb sank er hin, halb zog sie ihn: Verführung ist eine Kunst, die zwei Akteure benötigt und nicht einen PickUp-Artist. Thorsten Wittke setzt auf Ehrlichkeit und Authentizität und verzichtet gern auf vermeintlich Erfolg versprechende Maschen

Nein, das wird jetzt keine Bedienungsanleitung à la Don Juan oder Casanova, kein: Welche Masche bringt sie am schnellsten in die Horizontale? Für Verführungstipps für den One-night-Stand bin ich der Falsche.

Auch das kann natürlich eine Zielvorgabe für den Abend auf der Piste sein, aber ich bin an einem Punkt, an dem ich eine Frau nicht mehr einfach nur ins Bett verführen möchte, sondern in mein Leben. Dafür braucht es mehr als einen flotten Spruch oder mal einen Abend das Richtige zu sagen und zu tun. Dazu gehört der Mut, Authentizität und Schwächen zu zeigen. Und so bin ich darauf gekommen:

Janina traute ihren Augen nicht. Der Typ, mit dem sie jetzt ein erstes Date hatte, stand verschwitzt, in Sportklamotten, mit hochrotem Kopf, einem Rucksack auf dem Rücken und einer traurig aussehenden roten Rose in der Hand vor ihrer Tür.

»Auf meinem Trainingsplan stand heute ein Acht-Kilometer-Lauf, deshalb bin ich hierher gejoggt. Ich muss noch eben duschen und dann können wir los«, begrüßte er sie. Sie zeigte sprachlos auf die Badezimmertür und Lars verschwand für die nächsten 20 Minuten dahinter.

Janinas Augen leuchten heute noch, wenn sie erzählt, wie verführt sie von diesem Auftritt war. Auch wenn der sie erstmal sehr irritierte. Und weil die nächsten Dates ähnlich unkonventionell abliefen. Lars integrierte sie sofort in sein Leben, versuchte, Angenehmes mit Nützlichem zu verbinden und war nie was anderes als er selbst. Ein Chaot mit Hang zum Pragmatismus und einem viel zu vollen Terminkalender. Aber ehrlich und gerade deswegen liebenswert. Die beiden sind jetzt seit zwei Jahren verheiratet und ihr Nachwuchs kommt demnächst in den Kindergarten. Das ist, was Frauen wollen.

Diese Erfolgsstory versuche ich mir immer wieder ins Gedächtnis zu rufen, wenn ich mir schon Tage vor einem Date Gedanken darüber mache, wie meine Verführungskunst aussehen könnte: Was ich anziehe, welche Themen ich anspreche und wie ich mich im besten Licht darstellen könnte. Weil ich nämlich den blöden Gedanken nicht loswerde, es ist doch gar nicht möglich und völlig unplausibel, dass sich ein überhaupt ein so wundervolles Geschöpf wie meine Verabredung für mich interessieren könnte.


Weitere interessante Beiträge