Janice Jakait wurde als rudernde Atlantiküberquererin bekannt – als eine furchtlose Frau mit der Entschlossenheit zum Abenteuer. Jetzt spricht sie erstmals offen darüber, dass sie als Junge zur Welt kam und sich den Weg zu der Frau, die sie heute ist, hart erkämpfen musste. Ein Auszug aus ihrem Buch: “Liebe oder Mut, mich hinzugeben, statt mich herzugeben”
Sich nur dem Angenehmen und dem Gefahrlosen hinzugeben und Enttäuschungen um jeden Preis vermeiden zu wollen ist, wie mit nur einem Bein zu tanzen – das können wir machen, aber so kommt niemand wirklich von der Stelle. Wer auf einem Bein herumhüpft, muss ständig in Bewegung bleiben, um nicht umzufallen. Aber irgendwann setzt die Erschöpfung ein. Dann landet man doch da, wo man eigentlich nie hinwollte, nämlich ganz unten – und kommt womöglich nicht mal mehr aus eigener Kraft wieder hoch. Auf dem Ball der Einbeinigen ist alles gut, solange jeder mithüpfen und Erfolge vorweisen kann. Aber wehe, einer fällt um.
Die Liebe berührt mich gerade deshalb jetzt so tief, weil ich den Schmerz und die Wahrheit wieder zulassen kann und mit beiden Beinen auch auf die Angst zugehe und Enttäuschungen in Kauf nehme. Und die Liebe ist so groß, dass darin Gefühle einfach nur Gefühle sein dürfen, der Schmerz einfach nur Schmerz – und ich einfach nur ein Mensch sein darf. Die Liebe ist das ganze Theater, nicht das halbe – die Liebe ist das alles! –, die Liebe ist der Tanz der Gegensätze: Licht und Schatten, richtig und falsch, hoch und runter, Freude und Schmerz. Und darin tanzt sie sich erst frei.
Ein ständiges Drunter und Drüber, dem wir uns hingeben dürfen, um die eigene Mitte und unsere ganze Fülle auszuloten, doch dazu müssen wir uns trauen und vertrauen. Alles will einfach nur erfahren und erlebt werden – und wir sollten eben miteinander durch diese Welt tanzen und nicht nur nebeneinander vor der Glotze hocken oder hintereinander die Karriereleitern und Ranglisten hochsprinten. Der schönste Tanz zwischen zwei Menschen ist möglich, wenn sich da zwei finden, die sich diesem Tanz, diesem Auf und Ab hingeben können – die ihre eigenen Schatten genauso willkommen heißen wie ihr Leuchten –, die sich dem Schmerz hingeben, so wie sie sich der Freude hingeben wollen. Und wo sie alle Seiten in sich selbst erkennen und mit ihrem Licht willkommen heißen, können sie andere Menschen auch ganz in ihrem Leben begrüßen. Sie müssen nicht jeden wieder durch die Tür jagen oder auf Abstand halten, der sie im Spiegel mit der eigenen Dunkelheit und dem Unbewussten begrüßt. Liebe ist wie Höhenkrankheit, je höher man steigen will, umso mehr raubt sie einem erst einmal die Luft. Aber man gewöhnt sich nach einer Weile daran. Und dann ist ja da dieser Ausblick oben!
Entweder wir fühlen alles oder wir fühlen am Ende gar nichts mehr. Und was wir nicht fühlen wollen, das müssen wir mit viel Anstrengung wegdenken. Es heißt oft, dass Liebe angeblich nicht wehtut, sondern dass nur Menschen uns wehtun, die nicht lieben können. Aber ist das wirklich so einfach?
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