Lange Zeit hielt sie ihre Gefühle für die große Liebe. Doch je schlechter er sie behandelte, umso klarer wurde ihr, dass sie sich in einer emotionalen Abhängigkeit befand. Unsere anonyme Leserin erzählt, was dann noch alles passieren musste, bis sie endlich die Kraft fand zu gehen
Es begann unerwartet. Ich feierte mit einer Freundin ihren Geburtstag in einem kleinen Pub. Auch er war dabei, mit einem Kollegen meiner Freundin. Ich war verheiratet, hatte eine Tochter und mein Mann war gerade in seinem Heimatland in den Ferien. Während wir ausgelassen feierten, setzte er sich plötzlich zu mir und wir begannen, uns zu unterhalten. Er war so charmant und humorvoll. Und dieser Abend veränderte ALLES.
Es folgten charmante Nachrichten, in denen er mir schrieb, was ich für eine wundervolle und tolle Frau bin. Das Gefühl von einem Mann umgarnt zu werden kannte ich schon lange nicht mehr. Und noch während mein Mann in den Ferien war, kam es zu einem ersten Treffen. Ich war hin und weg. Zu diesem Zeitpunkt ahnte ich das Ausmaß dieser Begegnung noch nicht. Er sprach schnell von Liebe. Ich war völlig beflügelt von ihm und dem Gefühl einzigartig, weiblich und wundervoll zu sein, das er mir gab.
Viele heimliche Treffen folgten – ich war ja immer noch verheiratet und frisch schwanger mit dem zweiten Kind. Fürchterlich, denke ich heute, was ich damals gemacht habe. Die sprichwörtlich rosarote Brille ließ nicht zu, dass ich sah, was für ein schlechter Mensch er war. Ziemlich schnell zeigte er mir, dass ich mich nicht auf ihn verlassen konnte. Immer wieder ließ er mich stehen. Wir waren verabredet und er kam einfach nicht. Jedes Mal hatte er eine plausible Erklärung für sein Fernbleiben und ich war froh zu hören, dass es nicht mit mir zu tun habe.
Ach, war ich blöd, denke ich heute. Aber zu diesem Zeitpunkt machte ich weiter. Die Geschichten wurden immer absurder. Einmal litt er an Darmkrebs mit tödlicher Prognose. Ich glaubte ihm, dass er nach Amerika für eine Operation flog und trauerte um ihn. Einmal lag er im Spital wegen einer Schulterfraktur. Dann war wieder bei der Arbeit etwas. Ehrlich gesagt war auch die Zeit, die ich bei ihm war, nicht besonders. Ich musste darum “kämpfen” Zärtlichkeit von ihm zu erhalten. Immer ich war die, die seine Hand nahm und begann ihn zu küssen. Und trotzdem war ich unendlich verliebt in ihn. Ich wollte mir nicht vorstellen, wie es wäre, ohne ihn zu sein.