Über das Gießen von toten Pflanzen

Eigentlich wollte sie die Beziehung selbst beendet haben. Doch so leicht wollte er es ihr nicht machen. Unsere anonyme Leserin über die hoffnungslose Verbindung mit einem Narzissten

Eine tote Pflanze zu gießen macht keinen Sinn. Das wissen wir. Wieso aber halten wir an Beziehungen fest, die uns unsere letzte Kraft rauben, die oft schon vor Wochen oder Monaten komplett zerbrochen sind? Wieso düngen und gießen wir diese Beziehungen noch?

Ganz klar: weil wir hoffen! Wir hoffen, dass alles besser wird, dass es wieder so wird wie früher. Dass die Beziehung wieder blüht, dass unsere Arbeit Früchte trägt, dass die Partnerschaft in neuem Glanz erstrahlt. Wir halten uns fest an Erinnerungen und vor allem an Hoffnungen. Und oft auch haben wir Angst, es alleine nicht zu schaffen …

Meine Beziehung wurde mehrfach beendet, zum ersten Mal Mitte Dezember: Er offenbarte mir an einem Donnerstag Abend, dass er zum Wochenende hin ausziehen wird. Ich stand da wie vom Blitzschlag getroffen und habe versucht, zu verstehen, was da gerade passiert …

Eigentlich wollte ich die Beziehung schon lange selbst beendet haben. Er war unreif. Sehr, sehr unreif. Ein Narzisst und ein Peter Pan, kombiniert mit Münchhausen. Wir hatten – bis auf ein paar Ausnahmen – ein tolles erstes Jahr. Ausflüge mit meinem Sohn aus erster Ehe, mit dem er scheinbar toll zurechtkam. Wochenendtrips dahin und dorthin lief einwandfrei. Auch meine Angststörung schien er angenommen zu haben. Also dass man mit mir zwar eigentlich alles machen kann, ich aber einfach etwas mehr Zeit zur Vorbereitung brauche als Andere. Heute weiß ich, dass er sich nie die Mühe gemacht hat, zu verstehen, was ich habe und wie man mir helfen kann.

Aber schon damals merkte ich in vielen kleinen Dingen, dass einiges nicht normal läuft, dass man ihm viele eigentlich selbstverständliche Dinge erklären musste, weil die Empathie einfach fehlte. Beispielsweise schrieb ihm an unserem ersten Valentinstag seine damals beste Freundin, ob ER nicht zum Kaffee vorbei kommen möchte. Er wäre alleine zu ihr hingefahren, nicht bemerkend, was er damit in mir ausgelöst hätte. Er hatte nicht das Verständnis, dass seine einzig richtige Antwort hätte sein können: „WIR kommen gerne“. Aber diese Kränkung habe ich mit ihm ausgefochten und ausdiskutiert und ertragen. Hätte ich gewusst, dass diesem Beispiel noch viel mehr, viel verletzendere Dinge folgen würden, hätte ich damals gewusst, was alles noch passiert und wie es mir heute geht, hätte ich als logische Konsequenz da bereits die Notbremse gezogen.

Aber ich habe gekämpft. Nach zehn Jahren als Alleinerziehende und Single freute ich mich auf eine Vervollständigung zur Familie. Glaubte mich am Ziel meiner Träume, hoffte, nach so vielen Fröschen endlich DEN Prinzen, meinen Mr Charming, gefunden zu haben. Also habe ich die Pflanze unserer Beziehung an einen wunderbaren Standort in meinem Herzen gestellt und gegossen.

Dann kamen die vielen kleinen Lügen, die vielen Ausreden. Er war nicht in der Lage, Entschuldigung zu sagen, auch wenn es noch so offensichtlich war, dass er etwas verbockt hatte. Er verlangte aber von Allen wegen jeder Kleinigkeit, die ihn verletzte, eine Offenbarung und einen Kniefall. Auch seine eigenen Schwächen kannte er nicht. Er war nicht fähig, seine Macken anzunehmen. Ich war inzwischen so weit, an meinen Fehlern, Macken und Schwächen kaputt zu gehen. Ich fühlte mich nicht mehr wohl, war mit zwei Jobs und der alleinigen Verantwortung für einen drei Personenhaushalt schlichtweg überfordert, ging daran kaputt. Meine Mittagspause fand auf der Straße statt zwischen Job 1 und Job 2.

Der Herr war unterdessen krank geschrieben zuhause, wohlgemerkt gesund, aber sein Ego hatte es nicht verkraftet, dass man ihn aufgrund mangelnder Arbeitsleistung vom Filialleiter zum Stellvertreter degradiert hatte. Deshalb hat er sich nach sechswöchiger Phase Gelb einen neuen Job gesucht. Auch hier konnte er sich nicht stellen und ist abgehauen.


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