Die wichtigste Liebe ist die Liebe zu uns selbst

Wenn wir über Liebe sprechen, dann meist über die Liebe zu anderen Menschen. Doch was ist eigentlich mit den Gefühlen, die wir gegenüber uns selbst hegen? Jana Seelig über das Thema Selbstliebe

Wenn mich jemand bittet, drei Eigenschaften zu nennen, die ich an meinem Partner besonders liebe, muss ich nicht lange nachdenken. Da wären sein Humor, seine Fähigkeit, auch in den stürmischsten Zeiten den Überblick über das Chaos zu behalten und die kleinen Fältchen, die sich um seine Augen herum bilden, wenn er lacht. Mir fallen sogar weit mehr als drei Dinge ein, die ich an ihm besonders gerne hab, und es ist gar nicht so leicht, sich auf etwas festzulegen, denn irgendwie liebe ich ja alles an ihm – selbst, dass er mich manchmal nervt. Ich könnte stundenlang nur von ihm schwärmen. Wenn mich jedoch jemand nach drei Dingen fragt, die ich an mir selbst besonders wertschätze, muss ich meistens erst mal passen. Um meine Selbstunsicherheit in Bezug auf diese Frage zu überspielen, antworte ich darauf meist ironisch. Ich bin in der Lage, in weniger als 60 Sekunden zwei Tafeln Schokolade zu verdrücken. Und Katzen streicheln kann ich gut. Mein größtes Talent ist allerdings, die Wochentage durcheinander zu bringen. Ich weiß praktisch nie, ob Dienstag, Freitag oder Sonntag ist und das ist was, das muss man erst mal schaffen in einem Zeitalter, wo jedes technische Gerät über einen Kalender verfügt.

Ich glaube, dieses Szenario kennen wir fast alle. Über die Dinge zu sprechen, die wir an anderen Menschen lieben – oder zumindest liebenswert finden -, fällt uns leicht. Weil wir sie eben wirklich lieben, ohne wenn und aber, trotz der ganzen Macken, die sie mit sich bringen. Zu uns selbst allerdings haben wir meist ein schlechteres Verhältnis als zu unseren Mitmenschen. Auch wenn wir insgeheim wissen, dass wir viele gute Eigenschaften mit uns bringen, die schlechten scheinen zu überwiegen. Oder zumindest schwerwiegender zu sein, weil wir dazu neigen, unsere liebenswerten Eigenschaften als selbstverständlich anzusehen. Und an der ein oder anderen Stelle schwingt vielleicht auch Angst mit, arrogant zu wirken, wenn wir offen zugeben, dass es Sachen gibt, die wir an uns selbst liebenswürdig finden oder sogar lieben.


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