Meine Zweifel zerstören mein Glück

Ohne Zweifel kann es kein Glück geben. Obwohl Zweifel das Glück beeinträchtigen, sind sie doch so wichtig für das Leben und die Liebe. Ein Leserbeitrag von Natalie

Als Teil der „Generation Beziehungsunfähig“ bin ich gebrandmarkt von vergangenen Erfahrungen, Beziehungen und Enttäuschungen. Ich gehöre zu der Generation, die vorgibt, glücklich zu sein. Ich fühle mich glücklich und frei. Glücklich, eben weil frei: Freunde, Familie, Reisen und Abenteuer. Viel erleben, ständig unterwegs, allzeit erreichbar und in der Wunschvorstellung niemals verwundbar.

Doch in Wahrheit sind das ständige Aktivsein sowie die 24/7-Erreichbarkeit nur Fluchtreaktionen. Flucht vor dem Alleinsein. Der Einsamkeit. Freunde geben mir viel. Die Welt zu entdecken, kann mich zu einem Großteil erfüllen. Doch im Grunde strebe ich nur danach, durch eine andere Person erfüllt zu werden, mich „vollkommen“ zu fühlen. Nach außen wirke ich glücklich – wie heißt es in diesem einen Lied: “Sie ist die eine, die immer lacht … und weinen tut sie nur, wenn sie alleine ist.” Doch abends alleine schlafen zu gehen oder neben jemandem einzuschlafen, den man nur flüchtig kennt und der dem Alleinsein trotzt, trägt hingegen kaum zum so sehr ersehnten „Happiness-Zustand“ bei.

Doch dann, irgendwann, kommt der Moment. Ich fühle mich bereit für etwas Neues. Ich bin mit einem Leben im Reinen, leicht zu begeistern und allzeit spontan. Genau das strahle ich auf meine Mitmenschen aus und daher wirke ich attraktiv und selbstbewusst auf andere. Ich liebe mich selbst und kann mich demnach voll und ganz auf andere einlassen. Genau das strahle ich aus und meistens klopft genau dann die Erfüllung an der Tür. Ohne, dass mir vorher bewusst war, was mir im Leben genau gefehlt hat. Im ach so perfekten Leben, bin ich bereit, etwas zu ändern. Wieder jemanden in mein Leben zu lassen. Die Schutzmauer fallen zu lassen. Verwundbarkeit zeigen.

Es ist diese Grundsehnsucht, die ich habe. Obwohl ich denke, alleine glücklich und vollkommen sein zu können. Wunschgedanken. Diese Grundsehnsucht gibt mir das Gefühl, dass bisher vielleicht doch etwas gefehlt hat. Dann riskiere ich es und lasse mich wieder auf etwas ein. Auf die Gefahr, wieder betrogen und enttäuscht zu werden. Ich gehe dieses Risiko ein. Denn hinter die Fassade kann ich niemals blicken.

Und dann ist es da. Das lang ersehnte Glücksgefühl. Das perfekte Leben, das ich die letzten Monate geführt habe, wird durch ein i-Tüpfelchen bereichert und ich merke, dass ich vielleicht doch nicht 100%, sondern nur 95% glücklich und zufrieden war. Ich stehe vor dem perfekten Leben. Alles ist, wie ich es mir ausgemalt habe. Das Glück zum Greifen nah. Und dann klopfen die Zweifel an der Tür.

„Ich war doch alleine glücklich, warum mache ich nun mein Glück wieder von jemandem anderen abhängig?“ – „Es ging mir doch so gut, warum bin ich traurig, wenn die vermeintlich neue Liebe zur Tür hinausgeht?“ – „Vorher war die Person doch auch nicht Teil meines Lebens, warum trägt sie nun einen Großteil zum eigenen Glück bei?“

Ich beginne zu zweifeln, weil Zweifel normal sind. Ich denke im Vorfeld über mögliche Negativaspekte nach und kann mein Glück nicht fassen, weil ich es mir vielleicht nicht eingestehen kann. Und das größte Problem: Mit meinen Zweifeln stehe ich mir selbst im Weg.

In diesen Momenten verstehe ich nicht, dass ich auf das Verhalten des Gegenübers keinen Einfluss habe, weil ich nicht hinter die Fassade schauen kann. Dennoch zweifle ich, weil ich nicht akzeptieren kann, dass ich keinen Einfluss auf so manches Zukunftsereignis habe. Anstatt im Hier und Jetzt, mit der lang ersehnten Ist-Situation glücklich zu sein, stelle ich mir Fragen. Habe Zweifel. Zweifel, die normal sind und zum Leben gehören. Zweifel zeigen mir, dass mir Dinge am Herzen liegen. Ohne diese Zweifel würde ich das Positive doch gar nicht zu schätzen wissen, sage ich zu mir selbst. Dennoch werfen sie einen Schatten über den Glücksmoment. Schon immer ist menschliches Handeln geprägt von Zweifeln, von Unsicherheiten, weil wir nie wissen, was die Zukunft bringt.

Ich muss die Zweifel zulassen, sie lassen mich über mich selbst und mein Handeln reflektieren. Ich lerne mich noch besser kennen. Mir – diesem Teil einer “Generation Beziehungsunfähig” – muss jedoch klar werden, dass ich selbst der Ursprung der Zweifel bin: meine Vergangenheit, auch Menschen aus der Vergangenheit, aber nicht mein Gegenüber im Hier und Jetzt.

Zweifel sind nach Ernst Curtius der schlimmste Feind des Glücks. Ich muss die Zweifel also zu meinem Verbündeten machen, sie akzeptieren, sie als essentiell erachten und mit ihnen für mein Glück kämpfen. Sie zulassen. Zweifel zeigen mir, wohin und was ich in meinem Leben will. Und nochmal, ohne die Zweifel und die Enttäuschungen würden wir das Gute nicht zu schätzen wissen. Ich möchte lernen, mit dem Guten, das mir widerfährt, klar zu kommen, es anzunehmen. Do good and good will come to you … Vielleicht habe ich mir durch meine Vergangenheit, Offenheit und auch Enttäuschungen die ich erfahren musste, ein so gutes Karma geschaffen, dass ich nun – zweifelsfrei – vom Karma belohnt werde.

Und sind die Zweifel dann verschwunden, habe ich den 100%igen Glückszustand erreicht. Fragt sich nur wie lange. Aber was wäre das Leben ohne Zweifel?

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