Eine kleine Lüge schadet doch niemandem, oder?

Die Wahrheit ist manchmal unbequem. Darf man daher in einer Beziehung nicht auch mal den einfachen Weg wählen? Natürlich nur, wenn es um kleine Flunkereien geht

Doch! Ich bin, was man eine ‘ehrliche Haut‘ nennt. Ich flunkere gelegentlich. „Hattest du dir aufgeschrieben, dass wir Zahncreme brauchen?“ – „Klar! Aber den Zettel hatte ich vergessen. Sorry!“ Also solche Lügen. Bei denen bin ich mir sicher, die schaden meinem Karma-Konto nicht sonderlich. Schließlich weiß ich genauso gut wie meine bessere Hälfte, dass ich im Leben nicht mit einem Zettel einkaufen gehe. Gut, das ist jetzt etwas übertrieben. Wenn die lieben Schwiegereltern kommen, dann notiere ich, welche Lebensmittelunverträglichkeit zu beachten ist. Nicht, dass ich an einem Allergieschock Schuld trage. Aber haben Sie es gemerkt? War auch geflunkert. Liebe Schwiegereltern.

Wo fängt lügen an, wo hört flunkern auf? Ganz klar: Betrug. Darüber gibt es keine Diskussion. Aber: „Und, hattest du gestern noch ein Bier nach dem Sport?“ – „Ja, eins.“ Streng genommen: Lüge. Da ist also jemand, der sich Sorgen um meine Gesundheit macht. Völlig unnötig, wie ich finde. In Bayern gilt Bier als Grundnahrungsmittel. Zwei machen daher nur satter als eines. Nicht kränker. Dennoch: Statt die Diskussion zu führen, schummle ich mich raus. Durch eine Lüge. Weil es das doofe, eine Bier nicht wert ist, zu streiten. Wir sehen manche Dinge eben anders, das muss eine Beziehung aushalten.

Ich denke, hierbei besteht Einigkeit. Ein Paar muss auch mal unterschiedliche Meinungen haben dürfen. Klar.

Aber Lügen? Hm.

Ich lüge, wenn ich mich in der schwächeren Position wähne. Und meine Intuition ist da ziemlich gut. Sie kennt den Unterschied zwischen langwieriger Verteidigung mit wirren Argumenten und einer zeitsparenden Lüge. Das ist kein schmaler Grat. Das ist eher eine im Wind schwankende Brücke über einem gewaltigen Abgrund. Gewaltig, weil es sich mit jeder Lüge – und sei sie noch so klein –, normaler anfühlt, den bequemen Weg zu wählen und eine Auseinandersetzung (mit wirklichen Argumenten) zu vermeiden.

Bequemlichkeit. Keine Konfrontation. Kein Generve. Wer möchte den ganzen Tag verhandeln, Kompromisse schließen, um dann einen ollen Mittelweg zu finden, der irgendwie auch niemanden wirklich glücklich macht?

Allerdings, in einer Partnerschaft fällt eben nicht einer allein die Entscheidung, was bequem, was unbequem, was ein harmloser Alleingang und was ein gewaltiger Vertrauensbruch ist. Niemand hat die Erlaubnis, für den Partner einfach mitzubestimmen.

Letztlich ist jede kleine Lügen immer eine Bevormundung. Sollte der Partner nicht selbst entscheiden können, ob er sich auf eine Diskussion einlassen möchte? Ist es nicht sogar wahrscheinlich, dass der Partner darauf ebenso wenig Bock hat? Darauf, sich wieder eine lange Erklärung anzuhören, deren Anfang sich genauso krumm um die Wahrheit biegt wie ihr Ende? Dann bliebe als Grund für die Lüge am Ende eigentlich nur mein schlechtes Gewissen, welches sich im Vorfeld ein Schreckensszenario ausmalt. Und das könnte ich mir sparen, würde ich dazu stehen, dass es eben doch zwei Bier geworden sind.

Allerdings darf man dabei auch nicht vergessen, dass es umgekehrt gar nicht so viel anders ist. „Hast du auch die Pflanzen im Arbeitszimmer gegossen, Schatz?“ – „Ja. Warum? Sind sie etwa schon wieder trocken?“

Schon wieder trocken … Ist klar, Schatz. Merkst du selbst, ne?


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