Das Wunder des ersten gemeinsamen Urlaubs
Eine funkelnagelneue Beziehung ist ein Garant für viele aufregende ‚First Times‘. Da hätten wir den ersten Kuss. Das erste Telefonat. Die erste gemeinsame Nacht. Den ersten Sonntag zusammen. Den ersten großen Knatsch. Und natürlich: den ersten gemeinsamen Urlaub. Wenn man so will die Freischwimmer-Prüfung für eine neue Beziehung, nach der man sich hoffentlich das Seepferdchen-Abzeichen an die Badehose tackern kann. Denn zusammen Reisen ist eine Herausforderung. Mit Freunden sowieso schon, mit einem Liebsten erst recht. Selten lernt man so viel mit dem Anderen und über den Anderen und sowieso über sich selbst, wie in der Ausnahmesituation ‚Urlaub‘.
Ich hatte das Vergnügen, vor kurzem wieder in die Situation des ersten gemeinsamen Urlaubs zu kommen. Man muss dazu sagen, dass dieser Urlaub tatsächlich schon knapp zwei Wochen nach dem Kennenlernen gebucht wurde. Was mir zunächst ein wenig verrückt und überambitioniert erschien, ergab nach einem simplen Argument doch recht viel Sinn: „Entweder, wir können uns danach nicht nicht mehr leiden – und dann machen wir es nicht nochmal. Oder wir haben eine richtig gute Zeit und machen es noch ganz oft.“ Mehr brauchte es nicht, dass ich meine Passnummer und mein Geburtsdatum für die Buchung rausrückte.
Die Operation ‚First time traveling together‘ begann mit einem leichten Kater beiderseits. Was nicht von Nachtteil war, denn leicht verkatert ist das Aufregungslevel auf den Versuch hinuntergeschraubt, jetzt bloss nicht den Pass auf dem Schreibtisch liegenzulassen und den Weg zum und in den Flieger mit einer Mischung aus Albernheiten und akuten Schwächeanfällen zu bestreiten, bei denen man sich wechselseitig aneinander anlehnen kann. Und bereits 24 Reisestunden später hatte ich einiges über mein neues Gegenüber gelernt: Wie gerne er Orangensaft trinkt. Wie bequem es sich auf seiner Schulter schlafen lässt. Wie gut man mit ihm über verwirrte Stewards lachen kann. Wie leicht sich ein Gespräch nebeneinander führen lässt. Die kleine Dinge eben. Die, die wirklich wichtig sind.
Jeder einzelne Tag dieser Reise war eine einzige Entdeckungstour. Nicht nur, was das fremde, ferne Land anging, in dem wir gelandet waren, sondern auch, was diesen fabelhaften Menschen betraf, mit dem ich hier gelandet war. Nicht nur das verwirrende, oft erstmal unbeholfene Konzept des Händchenhaltens funktioniert in der Ferne besser, sondern auch das Sprechen über Dinge, die in einem neuen Beziehungsalltag erst einmal untergehen. Welches Eis man früher gerne gegessen hat. Ob man schon mal vom Zehnmeterturm gesprungen ist. Ob man schon jemals vorher einen Wasserfall gesehen hat. Die kleinen Dinge eben. Die, die wirklich wichtig sind.
Wir fanden heraus, dass wir die gleiche Neugier und die gleiche Lust am Abenteuer hatten. Wir stellten fest, dass es völlig ausreichend ist, die Sportschuhe einzupacken und sie nicht ein einziges Mal zu benutzen. Wir tauften und fütterten einen zerzauselten Hund, der vor einem Supermarkt wohnte. Wir hörten alberne Popsongs in der Nacht und es war keinem peinlich, auf eine Distanz von tausenden Kilometern zur Heimat das Geständnis abzulegen, dass man von Roxette richtig gute Laune bekommt.
Und dann gab es die heimlichen Momente, zumindest meinerseits. Die Momente, in denen der Andere gerade völlig selbstvergessen durch ein Buch blätterte, morgens verschlafen und vergrübelt seinen ersten Kaffee trank, oder einfach nur vor dem Spiegel seinen frischgeduschten Kopf auf Vordermann brachte. Die Momente, in denen man beobachten darf, was man sonst erst viel später im Laufe einer Beziehung mitbekommt. Wie jemand seine Socken auszieht. Wie dieser neue Andere mit einem respektablen Sonnenbrand zurechtkommt. Wie sich ein leiser Unmut einschleicht, weil man die Straßenkarte wiederholt falsch herum gehalten hat und schon zwei Stunden im geliehenen Jeep hungrig durch die Botanik gurkt. Die kleinen Dinge eben. Die, die wirklich wichtig sind.
Und auf einmal war er da, der letzte Abend einer ersten, gemeinsamen Reise. Keine bessere Gelegenheit, um eine wirklich ehrliche Bilanz zu ziehen. Zusammen und für sich selbst. Hat man sich erholt? Wohlgefühlt? Ist man sich näher gekommen? Würde man dies noch einmal tun? Und an dieser Stelle kann ich nur sagen: Wenn man am Ende dieser ersten Reise sagen kann: ‚Ja, ich will es mit Dir noch einmal tun!‘, dann ist das etwas, an das man denken sollte, wenn die Straße mal ein wenig rumpelig wird. Wenn man zweifelt an den Tagen, die nicht voll von Stränden, Flip Flops und bunten, neuen Ländern sind. Denn wer gemeinsam reisen kann, der hat es am Anderen bereits gesehen und geliebt, worauf es wirklich ankommt. Die kleinen Dinge eben. Die, die wirklich wichtig sind.