Ein Leserbeitrag von Viktoria Schedel über zwei blaue Häkchen, virtuelles Hin- und Herschieben von Halbinformationen und das Anlocken von Stechmücken
Mit der Digitalisierung kamen die Kurzmitteilungen, die man zwangsläufig in den falschen Hals bekommen muss. Weil Gestik und Mimik eben immer noch zur guten und gelungenen Kommunikation gehören und tatsächlich noch nicht ausgestorben sind. Und weil ohne diese die Geschlechterrollen immer wieder die Verständigung noch einmal erheblich erschweren.
Dennoch sitzen wir völlig sinnentleert vor grellen Displays, locken damit in lauen Sommernächten maximal Stechmücken an und gemeldet hat er sich dennoch nicht. Früher gab es da genau drei Möglichkeiten. Mit damals meine ich die Zeit, in der man tagelang auf eine SMS warten konnte, ohne gleich zu glauben, der andere wäre eventuell kläglich verendet. Folgende Möglichkeiten kamen in Frage: Erstens, er ist zu feige zu sagen, dass er eigentlich keinen Bock hat und stellt sich nun tot, weil ja Gott sei Dank keiner sehen kann, dass die Nachricht erst gelesen und dann gekonnt ignoriert wurde. Zweitens, die SMS hat sich irgendwo im Satellitensystem verirrt und kam nie an, niemals. Oder drittens, seine Mutter hat ihm das Handy weggenommen, weil er über die vereinbarte Zeit an der Nintendo 64 gezockt und die Spülmaschine nicht ausgeräumt hat.
Was ist eigentlich aus Verabredungen geworden?
Heute spielt man dann und wann immer noch warten-vor-dem-Kindergarten und betet zeitgleich, dass er gerade keine Pokémons jagt, seine Mutter ihm nichts mehr wegnehmen kann, weil er tatsächlich ausgezogen ist und dass er einfach nur megaschlechten Empfang hat, weil das Datenvolumen gedrosselt wurde und er sich beim Blumenpflücken außerhalb des Wlan-Bereichs befindet. Wie dem auch sei, keiner dieser Gedanken macht das Warten tatsächlich erträglicher, verständlicher oder erhellender.
Wann wurde aus der guten alten Verabredung eigentlich virtuelle Nonsense-Kommunikation und aus einem Short Message Service ein Chatroom für sozial schwer integrierbare Menschen oder die, die lieber im Bett lümmeln, statt sich mal wieder zu duschen und in die reale Welt zu treten? Irgendwo zwischen meinem Nokia 3310 und meinem topmodernen Smartphone habe ich diesen Wandel wohl verpasst. Wahrscheinlich während ich mich damit befasst habe, ob wohl der Smiley mit den roten Bäckchen oder doch lieber der mit dem Zwinkern angebrachter wäre, um meine verworrenen Emotionen angemessen zu unterstreichen. So hängen wir alle mehr oder weniger suchtgefährdet an unseren Smartphones und hacken sinnentleerte Texte hinaus in die weite Welt, wo sie entweder missverstanden oder viel zu spät gelesen werden. Dass man mit diesem Highend-Gerät nämlich telefonieren oder einfach die Vorzüge des schnellen und präzisen Faktenaustauschs nutzen kann, hat der ein oder andere über die Jahre verdrängt. Und dass die Telefon-Flatrate dafür einen Zehner pro Monat kostet ist unwichtig, Hauptsache das Datenvolumen reicht für Videos to go und alle 1024 Whatsapp-Freunde, von denen man mit genau sieben auch tatsächlich Kontakt in der Außenwelt pflegt. Die vielen Freunde kommen aber nicht von alleine, man hat nämlich aus Versehen das Handy mit dem Facebook-Account synchronisiert und weiß nun vom Geburtstag bis hin zu den Krankheiten alles – auch unterwegs. Dabei sind diese Infos völlig unnütz, denn zu den meisten Geburtstagen sind wir sowieso nicht eingeladen, wollen wir auch gar nicht.
ich habe wohl den Wandel verpasst
Ich klammere mich also weiterhin fest an den letzten Strohhalm, dass begrenztes Datenvolumen nicht für begrenzte Hirnleistung steht und es immer noch Menschen gibt, die auf Smileys verzichten können, weil sie uns lieber im wahren Leben ein Lächeln schenken.