Bei manchen Dingen gibt es nur ein Entweder-Oder. Tot oder Lebendig. Schwarz oder Weiß. Gebunden oder ungebunden
Ja, die Liebe wirft sich in viele bunte Gewänder. Aber trotzdem gibt es eine klare Grenze zwischen einer verbindlichen Vereinbarung, die auf einem gemeinsamen Nenner basiert und dem losen Zusammenschluss, bei dem einer von beiden immer einen Fuß auf der Türschwelle hat. Letzteres ist in etwa so, als würde man in eine neue Wohnung einziehen, aber nur die Hälfte der Kartons auspacken, weil man noch nicht sicher ist, ob einem die Bude am nächsten Morgen noch gefällt.
Ich habe bis heute nicht verstanden, warum auf den alten ‚Willst Du mit mir gehen?‘–Briefchen, die einem in diversen Schulstunden heimlich gekrakelt unter das Mäppchen geschoben wurden, neben Option ‚Ja‘ und Option ‚Nein‘ auch noch die Option ‚Vielleicht‘ angeboten wurde. Natürlich sollte man sich erst einmal kennenlernen und die wichtigen Hausnummern wie Name, Alter, Leidenschaften und Ansichten des anderen erkunden. Aber ansonsten ist dieses ‚Vielleicht‘ einfach großer Kinderkram. Entweder ich entscheide mich, mich wirklich auf jemanden einzulassen, oder eben nicht. Nur dann kann ich doch herausfinden, ob es wirklich passt. Oder nicht? Es gibt diesen simplen Spruch, dass man nicht duschen kann, ohne nass zu werden. Wenn ich mich noch nicht einmal ein paar Wochen oder Monate in Verbindlichkeit üben kann, dann basiert jede Entscheidung nur auf gefährlichem Halbwissen. Und dann steigt die Wahrscheinlichkeit (Grundkurs Logik), dass ich wohlmöglich eine falsche Entscheidung treffe.
Bis vor ein paar Jahren ging ich noch davon aus, dass der Rückzug auf die ‚Lass uns doch erstmal schauen‘ – Insel eher von Männern genutzt wird, weil sie sich einfach nie sicher zu sein scheinen, ob hinter der nächsten Ecke nicht noch eine optimierte Version ihrer aktuellen Flamme auf sie wartet. Aber inzwischen scheint es mir, dass Unverbindlichkeit bei Frauen und Männern gleichermaßen über die trickreiche Anfangsphase einer Beziehung hinaus als eine Art Lifestyle gepflegt wird. Und das ist demjenigen gegenüber, der wirklich bereit ist, sein Herz auf die Hand zu legen und etwas mit voller Überzeugung zu versuchen, eine gewisse Form der Ausbeutung. Man nimmt die Verletzung des anderen jedenfalls billigend in Kauf.
An dieser Stelle muss ich ebenfalls ein wenig Asche auf mein Haupt streuen. Es ist schon eine Weile her, als ich einen wunderbaren Mann kennengelernt habe, der sich Hals über Kopf in mich verliebte. Ich war damals ebenfalls verliebt, allerdings unglücklich und nicht in ihn. Trotzdem hielt mich das nicht davon ab, auf seine Avancen einzugehen. Er tat mir gut, wir unternahmen viel, schliefen miteinander, gingen essen, gingen ins Kino, teilten Bett, Sorgen und Wünsche. Und trotzdem verging kaum ein Tag, an dem ich ihn nicht spüren ließ, dass dies keinesfalls eine Beziehung sei. Ich war ja noch unglücklich verliebt. Das Ganze endete in einem großen Krampf und vielen Tränen. In meinem Fall hatte ich also mein eigenes Unglück als Rechtfertigung genutzt, jemand anderen unverbindlich unglücklich zu machen. Wir können bis heute nicht richtig miteinander sprechen.