Aus Geringachtung wird Geringschätzung. Aus Geringschätzung wird Verachtung. Spätestens jetzt ist die Beziehung ernsthaft in Gefahr. Wie man den Teufelskreis durchbricht
Szene(n) einer Ehe
Sie kommt nach der Arbeit nach Hause, lässt sich neben ihm aufs Sofa plumpsen, sieht ihn an, erwartungsvoll. Verschmiertes Make-up, hängende Schultern. Beide schweigen. Sie beobachtet ihn aus dem Augenwinkel, wartet. Er weicht ihrem Blick aus, zunehmend genervt, blättert in einer Zeitschrift. Dann doch: „Ist was?“ „Und ich dachte, du würdest gar nicht mehr fragen“, herrscht sie ihn an. „Ach jetzt bin ich wieder mal Schuld, dass du einen beschissenen Tag hattest?“ „Du verstehst gar nichts.“ „Suhlst du dich jetzt wieder in deinem Opfersumpf?“ Sie wird lauter: „Was habe ich dir getan?“ „Ich hatte vielleicht auch einen anstrengenden Tag, denkst du auch mal an mich?“ „Du kotzt mich an.“ „Geh zum Kotzen bitte ins Bad.“ Er nimmt die Fernbedienung und schaltet die Nachrichten an.
Einer der zuverlässigsten Indikatoren dafür, dass sich ein Paar bald trennen wird, ist gegenseitige Verachtung. Das konnten Forscher aus den USA in einer aufwendigen Langzeitstudie auch wissenschaftlich belegen. Verachtung ist eine hochgiftige Mischung aus Wut und Ekel, die in ihrer Wirkung weitaus schlimmer als ein negatives Selbst- und Weltbild oder Verdrossenheit in Bezug auf den Partner ist. Die Liebe ist nicht einfach nur eingeschlafen, sondern in ihr Gegenteil umgeschlagen. Die Entstehung gegenseitiger partnerschaftlicher Verachtung ist meist ein schleichender Prozess, bestehend aus einer Vielzahl kleiner Einzelschritte, die in ihrer Summe und diversen Wechselwirkungen ins Unglück führen. Im Laufe der Zeit schlagen Geringachtung und Missachtung des Partners langsam in Geringschätzung um und diese schließlich in offene Verachtung, wie in oben geschilderter Szene einer fortgeschrittenen herztoten Ehe oder Beziehung (die leider weit weniger fiktiv ist, als man annehmen möchte).