Wer trägt die Schuld, wenn das Chaos losbricht? In diesem Gastbeitrag beschreibt Familientherapeutin Manuela Komorek die Fahndung. Eine spannende Suche
Jeder kennt diese Beziehungsphasen, in denen das totale Chaos der Gefühle ausbricht.
- Wir verlieben uns, obwohl wir eigentlich schon vergeben sind
- Wir werden verlassen und eine Welt bricht zusammen
- Wir verlieben uns in den Partner/Partnerin des besten Freundes oder der besten Freundin
- Wir verlieben uns in einen gleichgeschlechtlichen Menschen, obwohl wir doch immer heterosexuell waren
- …. (hier können Sie ergänzen, was bei Ihnen zum totalen Chaos geführt hat)
Alle diese Situationen, verursachen schon beim Lesen ein leichtes Unwohlsein. Stecken wir tatsächlich drin, bedeuten sie innerlich den absoluten Ausnahmezustand!
Nichts fühlt sich mehr so an, wie davor. Tatsächlich kann man diesen Moment mit einem Tatzeitpunkt vergleichen. Denn unser Gefühl sagt uns ganz eindeutig, dass hier ein „Verbrechen“ begangen wurde! Und häufig erleben wir uns als das Opfer. Machen wir uns also auf die Suche nach dem Täter.
Und wer könnte das besser als Ihr innerer Profiler?
Wer mit der Arbeit mit dem inneren Team vertraut ist, weiß wovon ich rede. In diesem Gedankenmodell geht es darum, dass wir zwar äußerlich eine einzige Person sind, uns aber innerlich ganz und gar nicht so fühlen. Ganz so wie es z.B. der Titel der Buches von Richard David Precht „Wer bin ich – und wenn ja, wie viele“ suggeriert. Wir sind viele!
Da ist z.B. der Kritiker, das Kind, die Mutter und viele andere mehr. Wir stecken ständig in ganz verschiedenen Rollen und verhalten uns entsprechend unterschiedlich. Diese verschiedenen Personenanteile werden bei der Arbeit mit dem inneren Team zum Beispiel zu einer Konferenz zusammen geholt, so dass alle einmal zu Wort kommen und das Durcheinander im Kopf aufhört.
Wir erweitern unser inneres Team nun um den inneren Profiler.
Krimi-Fans wissen, wen ich meine. Es ist die Person, die sich mit den Persönlichkeitsanteilen eines Täters beschäftigt. Der berühmteste Profiler war und ist mit Sicherheit Sherlock Holmes. Er ist brillant, sachlich und extrem klug. Nur durch die Tat, den Tatort und die Spuren kann er weitreichende Rückschlüsse auf den Täter ziehen. Er nähert sich ihm über das Offensichtliche.
Wenn Sie also mal wieder in dem totalen Gefühlschaos stecken, dann nähern Sie sich diesem Tatort genau wie ein Profiler es tun würde, um heraus zu finden, was hier eigentlich los ist.
Fangen wir an!
Schritt 1: Bestandsaufnahme und Spurensicherung
Beginnen wir, ganz wie bei einem echten Kriminalfall, indem wir uns den großen „W’s“ der Fragekunst zuwenden: Was, Wann, Wo, Warum und Wie. Manchmal spielen auch noch Fragen nach dem Wie oft oder Wie viele eine Rolle. Gibt es auch äußerlich sichtbare Zeichen oder findet das gesamte Chaos nur in unserem Inneren statt?
Gibt es Zeugen, die wir befragen könnten? Wer weiß von unserem inneren Zustand und was genau weiß er oder sie? Eine Zeugenbefragung kann wichtige Hinweise ergeben, aber es ist auch Vorsicht geboten, denn das, was die Zeugen aussagen, muss nicht die Wahrheit sein. Am besten wir nehmen Zeugenaussagen nur als ein einzelnes Puzzel-Stück in unsere Spurensicherung mit auf. Vor allem dürfen wir sie nach dem Aufnehmen der Aussage nicht mehr an der weiteren Suche nach dem Täter beteiligen. Sie übernehmen sonst die Führung, und wir selbst werden immer mehr zu Randfiguren, so wie es z.B. der Polizei regelmäßig durch Miss Marple ergeht.
Der Profiler sucht auch nach Warnzeichen, die es bereits vor der Tat gab. Gemeint sind verdächtige Gefühle, die wir schon länger mit uns herum tragen, denen wir aber keine große Aufmerksamkeit geschenkt haben.
Jetzt können wir erste Tatverdächtige ermitteln.
Schritt 2: Ermittlung einzelner Tatverdächtiger
Wer kommt als Täter überhaupt in Frage? Natürlich handelt es sich hier um einen INNEREN Täter, denn das ist der Tatort, an dem sich das Gefühlschaos abspielt. Hier wurde das Verbrechen begangen, hier finden wird auch den Täter.
Jetzt gibt es die üblichen Verdächtigen, die immer mal wieder ein schreckliches Gefühlschaos anrichten. Das kann z.B. der Verräter sein, aber auch der Trotzkopf auf der Suche nach Anerkennung oder der Feigling, der einem Konflikt unbedingt aus dem Weg gehen will. Manchmal sind es sogar ganze Banden, die sich zusammen geschlossen haben zu einer gemeinsamen Tat. Wichtig ist hierbei, dass wir nur in uns selbst nach ihnen suchen, denn nur dort können wir sie „festnehmen“.
Selbstverständlich gibt es die gleichen oder ähnliche Täter auch in den anderen Menschen, und oft entdecken wir sie aus der Distanz heraus dort viel schneller. Aber hier gilt genau wie im richtigen Leben, dass wir nur in unserem Revier ermitteln dürfen. Wer sich in die Zuständigkeit anderer Ermittler einmischt, handelt sich lediglich unnötigen Ärger ein, und das eigene Revier gerät außer Kontrolle.
Schritt 3: Zugriff und Festnahme des Täters
Jetzt sind wir so weit, dass ein Zugriff erfolgen kann. Wir wissen genau, um wen es sich bei dem Täter handelt und wir schnappen ihn uns. Nach der Festnahme wird dieser allerdings zunächst verhört, denn jede Tat hat einen Hergang. Welche Voraussetzungen haben zu der Tat geführt? Was waren die Beweggründe und gibt es vielleicht mildernde Umstände? Manche Täter müssen wir eventuell auch wieder laufen lassen, denn sie sind im Sinne des Gesetzes unschuldig. Wenn zum Bespiel der innere Narr die Tat begangen hat, ist dieser eigentlich unzurechnungsfähig und muss frei gelassen werden. Wir können ihm stattdessen danken, dass er uns auf etwas Wichtiges aufmerksam gemacht hat.
Den schuldigen Täter jedoch sollten wir wegsperren. Das bedeutet, dass wir ihn hinter Gitter bringen, also ihm eine weitere Tat unmöglich machen. Im besten Fall bedeutet es natürlich auch, dass er dort „gebessert“ wird. Tatsächlich ist eine Therapie im eigenen Inneren manchmal genauso schwer zu realisieren wie in den wahren Gefängnissen. Aber sie ist keinesfalls ausgeschlossen.
Schritt 4: Chaos-Prophylaxe
Wenn Sie noch mehr über den inneren Profiler wissen wollen, dann empfehle ich unbedingt das Buch „Der Gefühlsprofiler“ von Miriam Kalliwoda. Das Buch ist von einer Kriminaloberkommissarin geschrieben, die weiß wovon sie spricht. Und sie zeigt, dass es sich auch ohne Krise lohnt, ein paar „Gefühlstäter“ dingfest zu machen, quasi zur Chaos-Prophylaxe.
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