Wenn sich hinter Kleinigkeiten tiefe Abgründe verbergen. Wo endet ein Konflikt und wo beginnt der Dealbreaker, der die Beziehung in Frage stellt?
„Weißt du, was ich an dir schon lange hasse …“ Wenn in einer Paarberatung dieser Satz fällt, dann überschreitet ein Partner gerade eine Grenze, an der er bereits lange, manchmal sogar viele Jahre, herumgeschlichen war.
Einzeln betrachtet folgen nach einer solchen Aussage selten bei Scheidungsanwälten gelistete Trennungsgründe. Es geht vielmehr um Kleinigkeiten, um Marotten, um sonderbare Angewohnheiten.
Doch sie sind – in ihrer offensichtlich stetigen Wiederholung – Anlass genug für schlimme Zweifel an der gemeinsamen Beziehung. Sie führen außerdem zu kreativen Verwünschungen in Worten und Gedanken. Irgendwo zwischen „Wenn er/sie mich wirklich lieben würde, dann …“ und „Und morgen bringe ich sie / ihn um!“
Glaubenssätze sind Dealbreaker
Wenn wir uns über etwas sehr ärgern, dann hat das immer auch etwas mit uns zu tun. In solchen Fällen sehen wir unsere Glaubenssätze verletzt. Das sind jene Wahrheiten, die im Laufe der Jahre für uns gültige Werte geworden sind.
Viele von diesen Werten haben uns unsere Eltern durch ihr Verhalten vorgelebt. Wie man sich miteinander auseinander setzt beispielweise. Weil wir als Kinder die Verhaltensweisen unserer Bezugspersonen nicht in Frage stellen, erleben wir diese als „richtig“. Sogar wenn wir später dagegen protestieren – die meisten Menschen verinnerlichen sie und nehmen sie doch an.
Auf der Beziehungsebene sieht ein Streit, der aus einer Kleinigkeit entstand und zum Dealbreaker-Konflikt wird, irgendwann so aus: „Nimm Rücksicht auf meine Gefühle und ändere dein Verhalten.“ Die Gegenseite sagt: „Ändere deine Haltung und versuche erst gar nicht, mich zu erziehen.“
Grenzüberschreitungen sind eine Chance
Aber setzt man nur eigene Grenzen? Oder erkennt man auch die Grenzen des Partners an? Wann ist die Überschreitung bewusst geschehen? „Weißt du, was ich an dir schon lange hasse …“ lässt sich nach meiner Erfahrung fast immer beantworten mit: „Klar, Schatz!“ Grenzüberschreitungen sind nämlich meist wissentliche Provokationen. Juristisch gesehen, ein Vorsatz also.
Mit diesem Eingeständnis kann dann endlich der eigentliche Dialog beginnen. Denn was will der Partner tatsächlich mit einer Grenzüberschreitung erreichen? Hier beginnt nun die Detektivarbeit.
Die Gründe sind individuell und deshalb vielfältig. Fast nie haben sie mit dem Streitthema tatsächlich zu tun. Es geht meist vor allem darum, Stärke zu beweisen und die eigene Position zu verdeutlichen; den Partner aus der Reserve zu locken, um ihn auf die eigene Seite zu ziehen; ihn zu verändern oder auch um ihn zu bestrafen.
Wer sich das vor Augen hält versteht auch, weshalb ein Streit so nahe geht, so banal der Anlass zunächst wirken mag. Nur wenn ein Paar es wagt, hinter die Grenzen zu blicken, lässt sich konstruktiv ein Konflikt besprechen und schließlich lösen.
Es geht immer um etwas Anderes, wirklich Wichtiges
Streit um Dealbreaker sind meist Konflikte über Selbstbewusstsein und Vertrauen, es ist ein Ringen mit der Furcht vor Ablehnung und dem Wunsch nach Annahme. Also die großen Fragen der Liebe.
Grenzüberschreitungen erlauben den Blick auf unbekanntes Gelände. Dazu müssen die Partner mutig genug sein, ihre Glaubenssätze zu entdecken und zu formulieren. Dann verlieren auch Dealbreaker ganz schnell ihren Schrecken und eröffnen stattdessen Möglichkeiten.