Warum Liebe keine Definition braucht

Mingle, Pärchen, Affäre – hier ein Plädoyer für das eine, da ein Statement gegen das andere. Unsere Autorin kann das alles nicht mehr hören und lesen und sagt: Liebe braucht gar keine Definition

Ich hab` das alles schon so oft gehört und gelesen: Dass meine Generation sich nicht binden könne. Dass wir (wer ist noch mal „wir“?) alle entweder unfähig seien, uns für jemanden zu entscheiden, oder aber im Gegenteil: plötzlich wieder zu alten Werten zurückfänden.

Ich habe mit Freunden, Geliebten und Kollegen diskutiert, ich habe mich gefragt und gequält, habe alle Formen der mir angebotenen Beziehungen ausprobiert, bis, ja bis ich einfach eines Tages damit aufgehört habe.

Das hier ist keine offene Stelle

Wenn ich einen Menschen kennenlerne, dann besetze ich keine Stelle. Diesen Satz müssen Sie sich merken, denn er ist das Grundgerüst meiner Argumentation. Eine offene Stelle würde nämlich bedeuten, dass ich bestimmte Dinge zu bieten habe und bestimmte Dinge suche und dafür gibt es mich exklusiv als Belohnung, toll, oder? Eine offene Stelle würde auch bedeuten, dass ich eigentlich gar nicht nach der Erfüllung in Form von Liebe suche (die ganz vielfältig und ganz besonders unterschiedlich sein kann), sondern nur schon eine feste Form habe, in die ich das besonders passende Bauklötzchen hineinquetschen möchte.

Und genau so kommt mir all das die meiste Zeit vor. Freundinnen sprechen davon, dass sie sich „einen Freund“ wünschen und ich denke: Aber du hast doch einen. Du hast mich und du hast noch ganz viele andere Menschen. Warum brauchst du einen, über den du sagen kannst „Hallo Leute, das hier ist der Tim, der ist ab heute mein Freund“?

Ich glaube: Weil das einfach ist. Weil es einfacher ist, als sich damit auseinanderzusetzen, dass man Menschen nicht in starre Definitionen und Versprechungen zwingen kann. Denn, Überraschung: Menschen machen sowieso, was sie wollen. Und das ist das Tolle an ihnen. Ich jedenfalls mag genau das an Menschen. Ihren freien Willen, ihre Lust, ihre Gedanken, ihren Antrieb, sich zu entwickeln.

Was lindert, heilt nicht unbedingt

Verstehen Sie mich nicht falsch: ich lebe nicht polyamourös und weiß durchaus die Vorteile fester Bindungen zu schätzen, zu leben, zu lieben, zu nehmen. Aber ich suche nicht danach, ich lerne Menschen so nicht kennen. Ich suche keinen Freund, ich freue mich bloß über Menschen, die ich mag. Ob ich möchte, dass sie irgendwann mal mit mir zusammenwohnen oder mit mir Kinder bekommen oder nur zwei Wochen in meinem Leben sind: All das muss ich nicht definieren, wenn wir noch bei: „Wow, du stehst wirklich auf Abba?“ sind.

Ich will keine Stelle besetzen, weil hier gar nichts frei ist. Oder so viel, dass gerne einfach alle vorbeikommen können. Jeder kann mal kurz Hallo sagen – vielleicht finden wir ja zueinander, vielleicht auch nicht. Bis dahin sind wir keine Mingles, keine Affäre und auch kein Paar. Wir sind bloß ein Ich und ein Du, zwei kleine Universen, ein Augenblick in einer sehr langen Geschichte. Mal schauen, wie sie am Ende heißen wird. Aber für den Moment, für genau gerade, darf sie einfach bloß passieren. Taufen wir sie „jetzt und hier“ und lassen wir sie undefiniert – so mutig ist das gar nicht, bloß ein bisschen weniger ängstlich als sonst vielleicht.


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