Diese Haare im Spülbecken!

Warum das mit dem Ändern nicht klappt. Und weshalb wir den Partner umso weniger verändern, je mehr wir es versuchen. Stattdessen ändern wir nämlich uns

Lassen Sie uns nicht drumherum reden und ehrlich zueinander sein: Wir alle wollten unsere Partner schon einmal ändern. Klar, wir wissen, das soll man nicht versuchen. Eigentlich soll man nicht einmal daran denken, es zu versuchen. Aber da liegen jeden Abend diese Schuhe im Flur. Und das ewige Räuspern. Das alberne Lachen vor Fremden. Und natürlich die Haare im Spülbecken!

Tief durchatmen.

Sie wissen es selbst: Es ist zu viel verlangt. Umgekehrt würden Sie es sich verbitten, würden Sie irgendwelche Erziehungsmaßnahmen an sich entdecken. Wer will sich fühlen wie ein Hund in der Dressur?

Wer seine Umgebung nicht verändern kann, muss seine eigene Einstellung ändern. Heißt es. Klingt einleuchtend. Ist aber nicht immer machbar. Wie gesagt: Haare im Spülbecken … Was ist denn, verdammt nochmal, ist so schwer daran, diese Haare wegzumachen?

Oder?

Tief durchatmen.

Lassen Sie uns überprüfen, warum Menschen manche Dinge tun und warum nicht. Gerade wenn es um Beziehungsfragen geht, ist die Schuldfrage rasch beantwortet: Die Eltern (Oder die wichtigsten Bezugspersonen). Unsere Eltern leben uns vor, was für uns eine normale Paar-Dynamik ausmacht. Beispielsweise wenn es mal kracht. Mama ist sauer, weil es dreckig im Bad ist, Papa zieht sich zurück und schmollt. Mama bleibt im Bad und putzt. Und schmollt.

Die meisten Menschen übernehmen nun elterliche Verhaltensweisen für sich, weil sie ihnen richtig vorkommen: Wenn die Eltern das tun, dann muss das stimmen. Das können kleine Kinder gar nicht hinterfragen. Hierbei entstehen echte Glaubenssätze und Wertevorstellungen. „Ich glaube, es ist richtig, dass sich bei einem Streit erst einmal einer zurückzieht, bis er sich beruhigt hat.“

Ja schön. Aber warum sind die Haare immer noch im Spülbecken?

Bleiben wir also bei den Haaren.

So wie Rückzug bei Streit ein Wert ist, ist Sauberkeit ein Wert. Und Rücksicht. Und Selbstverantwortung. Und Fürsorge.

Geht es etwas kleiner, bitte? Wir! Wollen! Doch! Nur! Diese! Haare! Aus! Dem! Spülbecken!

Schon gut, verstanden … Lassen Sie uns unsere Möglichkeiten ansehen.

Möglichkeit eins: Wir appellieren an die Sauberkeit. „Schatz, ich finde, das ist eklig.“ Da müssen wir mit der Antwort rechnen: „Eklig ist die Klobrille, wenn du drauf warst, Schatz.“ Wer was eklig findet und welche Sauberkeit nun wichtiger ist: Auf die Diskussion wollen Sie sich nicht ernsthaft einlassen … Gehen wir lieber schmollen.

Möglichkeit zwei: Wir erklären, dass uns das an die fiese Turnhalle aus der Schule erinnert und wir Gänsehaut beim Gedanken daran bekommen und erst gar nicht wissen möchten, welche Art Haare sich da gesammelt haben. Brrr. So ein Appell an Rücksicht greift bereits tiefer und signalisiert: „Bitte hilf mir, ich habe ganz doll schlimme Erfahrungen gemacht mit Haaren.“ Die Antwort darauf könnte sein: „Schatz, das sind meine Haare, die kennst du. Sehr gut sogar. Und die Turnhalle ist 100 Jahre her. Das hier ist unser Waschbecken. Mach eine Traumatherapie, wenn du dich vor Haaren fürchtest.“ Hm. Wir schmollen.

Möglichkeit drei: Eskalation. Das große Ganze. Denn eigentlich zeigt sich ja durch diese Haare, wie wenig Selbstverantwortung der Partner hat. “Wie schön könnte diese Welt sein, würde nicht jeder nur an sich denken sondern auch einmal an den Anderen!” Und überhaupt! Antwort: „Du stülpst mir deine Wertevorstellung von Sauberkeit über und willst mich zwingen, mich zu verändern. Wie furchtbar diese Welt doch ist, in der jeder den anderen manipulieren will!“ Knurr. Sie wissen schon: Rückzug und schmollen.

Möglichkeit vier, fünf und sechs: “Wenn du mich wirklich liebst, machst du die Haare weg!” “Ich werde nie wieder die Klobrille saubermachen, wenn du die Haare nicht wegmachst!” “Weißt du was: Ich sammle ab jetzt deine Haare, stopfe sie in ein Kissen und schenke sie zu Weihnachten deinen Eltern!”

Wir sind bei Erpressung. Tausch. Kreativität.

Wir kommen der Sache näher. Und eigentlich haben wir sogar gelacht.

Oder geschmunzelt.

Einigen wir uns darauf: Wir haben uns gerade über die Haare im Waschbecken amüsiert.

Da ist etwas passiert. Eine neue Verknüpfung. Nicht mehr „Haare im Waschbecken = Wut“ sondern „Ernsthaft. Das mache ich. Auf das Kissen sticke ich: Ihr habt Schuld! Das Gesicht deiner Eltern! Ich werde mich kaputt lachen.“

In 99 von 100 Fällen passiert nun Folgendes: Ihr Partner stimmt Ihnen zu, dass seine Eltern Schuld haben (Das ist so super einfach, dass Sie da nicht vorher drauf gekommen sind!). Und er fragt sich, ob Haare im Waschbecken tatsächlich ein Zeichen von Erwachsensein und Individualität darstellen.

Sie stellen derweil fest, dass die doofen Haare eben eine besondere Eigenheit Ihres Partners sind – vielleicht nicht die liebenswerteste – , aber eine, an die Sie sich mit einem Lächeln erinnern werden, an dem traurigen Tag, an dem er nicht mehr da sein wird und Sie im Waschbecken seine Haare vermissen.

Damit zurück zum Anfang: Wenn sich jemand ändert, dann ändern wir uns. Niemand anders.


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