Am Anspruch einer gleichberechtigten Partnerschaft scheitern viele Paare

Der Mann bringt das Geld nach Hause, die Frau bleibt daheim. Schnee von gestern! Wie verändern neue Rollen unsere Beziehungen? Ein Interview mit der Soziologin Sarah Speck

Schluss mit Omas Rollenmustern: Heute wollen beide Partner arbeiten und sich die Familien- und Hausarbeit teilen. Männer möchten Väter sein und nicht mehr nur Ernährer. Aber was geschieht in Beziehungen tatsächlich, wenn der Mann weniger Geld verdient als seine Frau? Und was, wenn er ganz zu Hause bleibt?

Wenn der Mann kein Ernährer ist: Warum haben Sie dieses Thema gewählt, liebe Frau Speck?

Speck: Familienernährerinnen sind ein aktuelles Thema, das in anderen Ländern schon seit Jahren diskutiert wird. Die Zahl der Paare, in denen die Frau das Haupt- oder Familieneinkommen bezieht, nimmt in fast allen Ländern zu. Das hat unterschiedliche Gründe: Zum einen ist dies durchaus auf den zunehmenden Bildungserfolg von Frauen zurückzuführen. Doch der eigentliche Grund ist die Prekarisierung der Arbeitswelt. Heute sind Frauen und Männer von befristeten Arbeitsverhältnissen, Teilzeit und zunehmend schlechter Entlohnung betroffen. Und im gleichen Zeitraum, in dem der Dienstleitungssektor ausgebaut wurde, in dem typischerweise Frauen beschäftigt sind, wurden klassische männliche Berufe abgebaut. Diese Prozesse haben Geschlechterverhältnisse verändert. Das männliche Ernährermodell erodiert. Und eine Konstellation mit einer weiblichen Familienernährerin ist wahrscheinlicher.

Wir wollten wissen: was passiert innerhalb von heterosexuellen Paarbeziehungen, in denen die Frau Ernährerin ist? Bilden diese Paare sozusagen die Avantgarde neuer Geschlechterrollen? Dabei haben wir verschiedene Milieus untersucht. Und wir wollten auch die latenten Ebenen – also die Aushandlungen unterhalb der Oberfläche – in den Blick nehmen. Denn viele sagen erstmal, es sei völlig egal, wer mehr verdiene, oder ob der Mann erwerbslos oder prekär beschäftigt sei. Das ist es aber für die allermeisten heterosexuellen Paare nicht.

Welchen Einfluss haben die neuen Geschlechterrollen auf die aktuell gelebten Beziehungsmodelle?

In nahezu allen Milieus ist es heutzutage selbstverständlich, dass die Frau arbeitet. Umgekehrt soll sich der Mann auch in die Hausarbeit und die Erziehung der Kinder einbringen. Der Anspruch an eine gleichberechtigte Partnerschaft ist also heute weit verbreitet. Doch es scheitern viele Paare daran. Die Praxis hat mit den verbreiteten Leitbildern nur wenig zu tun. Nicht nur bei traditionell orientierten Paaren ist Weiblichkeit nach wie vor an die häusliche Sphäre und Männlichkeit an die Erwerbssphäre gekoppelt.

Für Akademikerinnen kommt ein Hausmann nicht in Frage

Allerdings vollzieht sich dies in hochgebildeten Milieus eher untergründig: Frauen übernehmen weiterhin sehr viel mehr Sorgearbeit und die Paare tun einiges, um das Ungleichgewicht gemeinsam zu kaschieren. Etwa, indem man sagt, das man einfach unterschiedliche Standards habe und die Frau die Hausarbeit dementsprechend eben schnell macht. Oder es werden die Beiträge unterschiedlich stark gewertet und das große Kochen vor Gästen oder das Grillen des Mannes bei bestimmten Anlässen besonders hervorgehoben. Umgekehrt besteht aber auch weiterhin die Erwartung an den Mann, erfolgreich zu sein oder zumindest ‚sein Ding‘ zu machen und sich beruflich zu verwirklichen, sonst wird er als unattraktiv wahrgenommen. Gerade für die Akademikerinnen gilt: Einen Hausmann zu haben kommt nur in den seltensten Fällen in Frage. Paare aus dem Arbeitermilieu geben dies wiederum ganz offen zu: Sie streben weiterhin die Ehe mit männlichem Ernährer an, in der die Frau zwar auch arbeitet, aber ihre berufliche Laufbahn der des Mannes untergeordnet wird. Ein genauer Blick zeigt also: so richtig viel hat sich nicht verändert.


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