Die Therapeutin Susanne Nagel spricht in unserem Interview über Wege aus dem Teufelskreis des Fremdgehens. Sie hat das Buch “Psychologie der Untreue” für deutsche Leser entdeckt und übersetzt
In ihrer Nürnberger Praxis arbeitet Susanne Nagel mit Paaren. Im Interview erklärt sie, warum sie “Psychologie der Untreue” für einen Glücksfall hält.
Frau Nagel, wie sind Sie auf das Buch “Die Psychologie der Untreue” von Shirley Glass aufmerksam geworden?
Durch eine Fortbildung bei dem amerikanischen Therapeuten-Ehepaar John und Julie Gottman. Nach einem guten Buch für Klienten, die gerade eine Affäre aufzuarbeiten haben, befragt, empfahl Julie Schwartz-Gottman dieses Buch. Ich bestellte es und war sofort begeistert. Genau das, was ich schon lange gesucht hatte, um es Klienten an die Hand geben zu können. Dass Klett-Cotta sich darauf einließ, es zu übersetzen, war ein riesiger Glücksfall. Und dass ich die Übersetzung machen durfte, war und ist für mich eine große Ehre.
Wem würden Sie das Buch empfehlen?
Ich empfehle es jedem, der mit Untreue in Berührung gekommen ist, egal in welcher Rolle. Sowohl der untreue als auch der betrogene Partner können davon profitieren, um nicht im Teufelskreis der immer gleichen schmerzhaften Anschuldigungen und Rechtfertigungen steckenzubleiben. Und auch für die Geliebten kann es erhellend sein, z.B. um zu hinterfragen weshalb sie möglicherweise immer wieder in diese Rolle geraten. Auch Paare, die sich dafür entscheiden eine monogame Beziehung leben zu wollen, können Hinweise daraus ziehen, wie sie ihre Partnerschaft „affärensicherer“ gestalten können. Und nicht zuletzt empfehle ich es jedem Paartherapeuten als Standardlektüre.
Waren Sie nur Übersetzerin oder haben Sie auch eigene Erfahrungen aus Ihrer Praxis als Therapeutin einfließen lassen? Wenn nein: Hat es Sie nie gereizt?
Meine Erfahrungen als Therapeutin habe ich ins Vorwort einfließen lassen. Das war mir sehr wichtig. Ansonsten gab es bei Shirley Glass nichts hinzuzufügen. Sie sagt alles Wesentliche. Da gibt es nichts zu verbessern.
Shirley Glass schreibt, auch glückliche Paare sind gefährdet. Weshalb gehen solche Menschen fremd?
Es gibt keine Standardantwort auf die Frage: Warum gehen Menschen fremd? Die Anfälligkeiten für eine Außenbeziehung sind individuell verschieden. Zur Einschätzung der eigenen Anfälligkeit eignen sich die Tests in Glass´ Buch sehr gut. Allgemein formuliert könnte man vielleicht sagen, dass der Übergang in eine Affäre oftmals schleichend und beinahe unmerklich geschieht. Aus einer Freundschaft entwickelt sich nach und nach eine immer engere emotionale Bindung – Shirley Glass beschreibt das mit dem Bild der „slippery slope“, der „Rutschigen Piste“ – bis dann eine emotionale Affäre daraus geworden ist. Die manchmal – nicht immer – auch zur sexuellen Affäre wird.