Macht er die Hausarbeit, wenn sie die Miete zahlt? Cornelia Koppetsch und Sarah Speck haben in einer großen Studie Paare untersucht und darüber ein Buch geschrieben. Ein Auszug
Weniger denn je scheint das klassische Arrangement Gültigkeit zu besitzen, in dem der Mann das Haupteinkommen verdient und sich vorrangig als Familienernährer versteht, während die Frau primär für Hausarbeit und Kindererziehung zuständig ist. Die meisten Paare wünschen sich heute einvernehmlich ein egalitäres Modell: Beide Partner wollen erwerbstätig sein und sich die Familien- und Hausarbeit teilen. Auch Männer distanzieren sich von klassischen Rollenmustern: Sie möchten aktive Väter sein und sich in der Familie nicht mehr auf die Figur des Ernährers beschränken, sondern auch Zeit mit den Kindern verbringen und Erziehungsaufgaben wahrnehmen.
Insbesondere in den Medien und der Öffentlichkeit scheint man sich darüber einig zu sein, dass die Zeit der Hausfrauenehe endgültig abgelaufen ist. Vonseiten der Unternehmen besteht große Nachfrage nach weiblicher »Emanzipation«: Frauen sollen auch nach der Geburt eines Kindes dem Unternehmen so schnell wie möglich wieder zur Verfügung stehen oder ihren Kinderwunsch aufschieben. Die globale Marktgesellschaft benötige schließlich Männer und Frauen.
Doch wie sieht es wirklich aus?
Die Auswirkungen der Erwerbsunsicherheit auf das Geschlechterverhältnis und die männliche Identität sind bislang kaum erforscht worden. Die Erwerbsrolle ist in modernen Industriegesellschaften nach wie vor ein zentraler Baustein der männlichen Identität. Bis heute sind Erwartungen an die Rolle des Mannes in Familie und Paarbeziehung durch dessen Verankerung in einem dauerhaften Erwerbsverhältnis geprägt. Bricht diese weg, kommt es zu einer Krise, die sich in verschiedenen Soziallagen und Berufsmilieus allerdings ganz unterschiedlich manifestiert. Während zu Leiharbeitern herabgesauste Fachkräfte, das hat Klaus Dörre (2005) in einer Studie zur Automobilindustrie gezeigt, sich in ihrer männlichen Ehre gekränkt sehen und mit forcierter Abwertung sozial Schwächerer reagieren, wird die Erwerbskrise bei Universitätsabsolventen meist weniger nach außen getragen, sondern eher auf die eigene Persönlichkeit bezogen. Insbesondere Führungskräfte, deren Selbstbild in starkem Maße von der eingenommenen beruflichen Position gespeist wurde, erleben deren Verlust als tiefe Verunsicherung.
Gelingt den betroffenen Paaren dann auch die Loslösung von traditionellen Rollen?
Oberflächlich betrachtet, deutet vieles auf eine Modernisierung im Geschlechterverhältnis hin: Fast 70 Prozent der westdeutschen und 88 Prozent der ostdeutschen Frauen und Männer stimmen einer egalitären Rollenaufteilung zu. Die Gestaltung der Partnerschaft, die Bewältigung der häuslichen Pflichten und die Betreuung von Kindern werden von vielen Paaren als eine Angelegenheit persönlicher Absprachen betrachtet. Das beißt sich jedoch mit der erstaunlichen Persistenz traditioneller Rollenmuster, die in empirischen Untersuchungen immer wieder festgestellt wird: Die Haus- und Sorgearbeit bleibt überwiegend Frauensache. Der Unterschied ist lediglich, dass Paare diesen Sachverhalt heute meist nicht mehr im Kontext gesellschaftlicher Prozesse deuten oder auf traditionelle Rollenmuster zurückführen, sondern als Resultat individueller Vorlieben und persönlicher Eigenarten begreifen – oder schlicht ausblenden.
Viele Paare begründen die Rückkehr zu traditionellen Mustern der Arbeitsteilung auch damit, dass in ihrer Beziehung eben zufällig der Mann mehr verdiene, weshalb die Frau nun ihre Berufstätigkeit reduziere, um mehr Zeit für die Familie zu haben. Die Frage ist dann aber, was hier »zufällig« bedeutet. Zwar hat sich die weibliche Erwerbsbeteiligung seit den siebziger Jahren deutlich erhöht – allerdings arbeiten Frauen nach wie vor überwiegend in Teilzeit. Das typische Geschlechterarrangement in westdeutschen Haushalten ist das Eineinhalb-Verdiener-Modell: Den Familienunterhalt verdient der Mann, und die Frau erwirbt einen Zuverdienst. Der Mann ist bei den meisten Paaren also nach wie vor der Ernährer.
Bei etwa einem Zehntel der zusammenlebenden deutschen Paare verdient allerdings die Frau das Haupteinkommen – wenn auch in der Regel nicht freiwillig: Nicht das höhere Gehalt der Frau, sondern die Tatsache, dass der Mann infolge von Erwerbseinbrüchen seine Rolle als Hauptverdiener nicht mehr einnehmen kann, ist in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle Auslöser der Familienernährerinnen-Konstellation. Was passiert nun im Geschlechterverhältnis dieser Paare? Übernimmt der Mann Verantwortung für Haushalt und Familie?
Vor dem Hintergrund egalitärer Rollenvorstellungen sollte dies eigentlich kein Problem darstellen – oder?
Cornelia Koppetsch, Sarah Speck:
Wenn der Mann kein Ernährer mehr ist
ISBN: 978-3-518-12701-8
Verlag: edition suhrkamp